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Stille Seele (German Edition)

Stille Seele (German Edition)

Titel: Stille Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Lastella
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den See, an dessen Ufern sich leichter Abendnebel bildete. „Wir sollten losfahren!“
    „Ja, das sollten wir vielleicht, schwarzes Schaf!“ Sie grinste und boxte ihm freundschaftlich in die Seite.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    19. April 2006, Gemeindezentrum, Marble Hills
     
     
    Jakobs Wäsche drehte sich monoton in der Trommel der Waschm aschine. Er hatte für eine ganze Weile dabei zugesehen, bevor er wie fast jede Woche den Waschmaschinenraum verließ und über die Gänge des Zentrums lief, bis er Julies Stimme hören konnte. Sie klang genau wie Julie selbst sanft und dennoch kraftvoll, ein wenig rau und irritierend aufwühlend. Sie begleitete sich selbst mit der Gitarre und etwa ein Dutzend Kinderstimmen mischten sich begeistert dazu. Jakob wusste, dass es kein Zufall war, dass er immer mittwochs zum Wäschewaschen hierher kam, und es war auch kein Zufall, dass er zielgerichtet zu diesem Raum schlenderte. Leise ließ er sich an der Wand hinter der Tür hinabgleiten und lauschte den Geräuschen im Raum. Es gehörte für Jakob zu seiner Woche, Julie an diesem Tag so zu hören, wie sie ihm gegenüber wohl nie sein würde, weil sie ihm noch immer distanziert begegnete. Der Umgang hatte sich zwar verbessert, seitdem sie sich gezwungenermaßen miteinander beschäftigt und den unbeständigen Waffenstillstand geschlossen hatten. Aber ihm gegenüber hatte sie sich noch nie so unbefangen gegeben, wie sie es den Kindern gegenüber tat, und Jakob war sich ziemlich sicher, dass es niemals so weit kommen würde.
    „Was machen Sie da, Mister?“
    Ein kleiner Junge, höchstens acht, betrachtete Jakob kritisch und trat vorsichtig einen Schritt zurück.
    „Keine Angst, ich wollte nur zuhören, wie schön ihr singt!“
    „Julie sagt, wir sollen immer einem Erwachsenen Bescheid sagen, wenn jemand Fremdes uns komisch vorkommt!“ Er wiederholte den von Julie ausgesprochenen Satz, als hätte er lange dafür gebraucht, um ihn auswendig zu lernen.
    „Ich bin kein Fremder. Ich arbeite mit Julie in der Bar. Wir sind so etwas wie Freunde!“
    Nachdenklich kratzte der Junge sich am Kopf.
    „Ich bin Jakob, und du? Wie heißt du?“
    „Ich bin Ben!“
    Jakob zuckte zusammen. Bilder von schreienden Kindern und Bens kaltem Gesichtsausdruck, als er seine Waffe am Kopf des jungen Afghanen entsichert hatte, zuckten durch seinen Kopf. Feine Blu tspritzer auf weizenblondem Haar … Unwillig wischte Jakob die Bilder fort und bemühte sich um einen normalen Tonfall. „Ben ist ein wirklich schöner Name.“
    „Ben, mit wem sprichst du da?“
    Julie erschien in der Tür und Jakob bemühte sich, hastig aufzustehen.
    „Jakob?“ Dann drehte sie sich zu Ben um. „Ich habe euch doch g esagt, dass ihr nie mit Fremden sprechen sollt!“
    „Er hat gesagt, er ist kein Fremder. Er hat gesagt, er wäre dein Freund!“ Beleidigt schob Ben seine Unterlippe vor.
    „Du sollst nicht alles glauben, was man dir erzählt. Hast du diesen Mann schon mal gesehen?“
    Ben schüttelte betreten den Kopf.
    „Also ist er ein Fremder für dich! Und jetzt geh. Du wolltest auf die Toilette!“ Sie sah ihm zärtlich hinterher, bevor sie Jakob fragend anblickte.
    „Also, schwarzes Schaf, was machst du hier?“
    Hilflos zuckte Jakob mit den Schultern und kam sich unter ihrem prüfenden Blick nicht wesentlich älter oder erfahrener vor als Ben. „Ich wasche Wäsche!“
    „Vor meiner Kurstür?“
    Mit einer unsicheren Handbewegung zeigte Jakob hinter sich. „Ich muss warten und das ist echt langweilig. Ich höre euch gerne zu!“
    „Du hörst uns gerne zu? Wie lange machst du das schon?“ Sie sah weniger verärgert als verwundert aus.
    Zerknirscht gab Jakob zu: „Schon ‘ne Weile!“ Er fuhr sich durch die Haare und sah ihr dann fest in die Augen. „Du hast eine sehr schöne Stimme. Erinnerst du dich an den See oben beim Baumfällercamp?“
    Sie nickte irritiert.
    „Na ja, irgendwie …“ Jakob kratzte sich verlegen das Kinn. „Deine Stimme hat eine ähnliche Wirkung. Wenn ich euch gestört habe, dann tut es mir leid. Das war nicht meine Absicht!“ Entschuldigend verzog er das Gesicht und fügte leise hinzu: „Ich werde dann jetzt gehen!“
    „Nein!“
    Jakob blieb irritiert stehen. Julie senkte den Blick, als wäre ihr ihr Verhalten peinlich.
    „Ich meine nur, wenn du möchtest, kannst du bleiben!“ Sie wirkte unsicher. „Ich kann

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