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Stille Seele (German Edition)

Stille Seele (German Edition)

Titel: Stille Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Lastella
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anders als hier, aber es war eine Erfahrung, die mich erwachsener werden lassen hat. Ich war mit einem guten Freund dort und gerade deshalb möchte ich diese gemeinsame Zeit nicht missen.“
    „Wo ist dieser Freund jetzt? Ihr reist nicht mehr zusammen?“
    „Nein.“ Jakobs Stimme klang schroff und brachte Julie dazu, innezuhalten. „Er hat sich entschieden auszusteigen. Ich konnte ihn nicht vom Gegenteil überzeugen.“ Ein betretenes Schweigen setzte ein, das einige Minuten andauerte, ehe Julie sich ihm zu wandte und ihn betont locker anlächelte. „Du gehst doch immer laufen?“
    „Nicht immer, aber ja. Um den See – ist ‘ne schöne Strecke!“
    Ein vergnügter Ausdruck erhellte Julies Gesicht. „Ich würde sagen, eine lange Strecke!“ Sie atmete tief ein und stieß dann die in den Backen gesammelte Luft prustend von sich.
    „Zehn Kilometer!“
    „Würdest du mich mal mitnehmen?“
    „Du willst mit mir laufen?“ Er sah sie zweifelnd an.
    „Ich habe versprochen, netter zu dir zu sein, also opfere ich mich!“
    „Wir könnten es probieren, aber du musst das nicht tun. Es würde reichen, wenn du mich nicht mehr mit Getränkekisten rammst!“ Ein tiefes, ehrliches Lächeln überzog Jakobs Gesicht und verfehlte seine Wirkung nicht.
    Julie senkte ihren Blick und schabte mit ihren Schuhen über den Boden. „Also, wann läufst du wieder?“
    „Morgen! So um fünf?“
    „Du gehst vor der Arbeit joggen?“
    „Na ja!“ Er zuckte unbeholfen mit den Schultern.
    „Ist ja auch egal, also fünf Uhr!“ Sie sah nicht gerade glücklich aus über diese Verabredung und Jakob konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Julie würde einfach alles tun, wenn sie es sich einmal vorgenommen hatte. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, laufen zu gehen, also würde sie gehen. Egal, wie wenig es ihr in den Kram passte, sich noch vor der Arbeit auszupowern. Jakob hegte keinen Zweifel daran, dass sie, nur um es ihm zu beweisen, die zehn Kilometer durchhalten würde. Wahrscheinlich würde sie danach einen Notarzt benötigen, aber sie würde nicht aufgeben. Diese Stärke war bewundernswert und Jakob fragte sich, wie man sie erlangte. Was musste man tun, um so zu werden? War Julie schon so geboren worden, war sie durch ihre Arbeit mit den Männern in der Bar so geworden oder hatte sie irgendetwas Einschneidendes erlebt, das sie dazu gezwungen hatte, so zu werden? Auf jeden Fall wollte er es herausfinden. Er wollte mehr über sie wissen – ihr Freund sein, wenn eine Liebe schon nicht möglich war.
    „Woran denkst du?“ Sie hatten sich langsam wieder in Bewegung gesetzt und Julie stieß ihn leicht mit ihrem Ellbogen in die Seite.
    „Ich dachte nur gerade, dass ich gerne wüsste, ob deine Starrsinnigkeit angeboren ist.“ Er lächelte leicht und beeilte sich, hinterher zu schieben: „Das sollte ein Kompliment sein, keine Beleidigung. Nicht viele Menschen gehen so zielstrebig und kompromisslos gegen sich selbst und in den richtigen Momenten auch gegen andere durchs Leben. Das ist eine wirkliche Stärke.“ Er verstummte und wagte nicht, Julie anzusehen. Entweder sie würde ihn auslachen oder dieses Gespräch vertiefen, und beides war nicht gut. Ganz und gar nicht gut, denn das eine machte ihm zu viel aus und das andere bedeutete ihm etwas anderes als es sollte. Er brummte undeutlich und fuhr sich nervös mit der Hand über die Spitze seiner Nase, nur um sie dann wieder gegen seinen Oberschenkel fallen zu lassen. Warum sagte sie nichts? Er wagte einen vorsichtigen Blick in ihre Richtung. Ihr Gesicht wirkte für ihre ansonsten ständig energiegeladene Art entspannt und wurde von der warmen frühsommerliche Sonne in ein warmes Licht getaucht.
    „Julie?“
    Sie antwortete, ohne die Augen zu öffnen. „Weißt du noch, oben im Holzfällercamp? Du hast recht gehabt, es ist friedlich. Mir fällt es oft schwer, einen Gang runterzuschalten. Seit diesem Nachmittag habe ich es ein paar Mal ausprobiert, und es hat ziemlich gut funktioniert. Es tut mir gut, einfach mal nur auf mich und sonst nichts zu hören. Ich habe das irgendwann in den letzten Jahren verlernt, einfach nur ich zu sein und das alles hier zu genießen!“ Sie blinzelte ihn an und grinste verschmitzt. „Das hast du mir gezeigt. Sieht also so aus, als hätte jeder von uns so seine Stärken. Ist dir eigentlich aufgefallen, dass Stan und Dad uns verkuppeln wollen?“
    Was antwortet man auf eine solche Frage? Jakob zupfte nervös an der kaputten Haut seines rechten Daumens

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