Stille Seele (German Edition)
heraus. Julie brachte ihn dazu, sprichwörtlich in eiskaltes Wasser zu springen und sich endlich wieder lebendig zu fühlen.
„Gut, nicht wahr?“
Jakob wischte sich das Wasser aus den Augen, drehte sich um und nickte stumm. Julies Gesicht befand sich nur wenige Zentimeter vor seinem eigenen. Ihre Lippen hatten sich unnatürlich bläulich verfärbt. Wassertropfen perlten von ihrer Haut herab und fielen auf die Wasseroberfläche, während ein entrücktes Lächeln um ihre Lippen spielte.
Rau erwiderte er: „Ja, wirklich gut!“ Seine Augen fixierten ihren Blick und für einen Moment setzte sogar das Klappern seiner Zähne aus, bevor er sich von ihrem Anblick losriss und untertauchte.
„Jay, hör auf mit dem Scheiß! Man soll nicht tauchen. Das ist gefährlich!“
Jakob tauchte wieder auf und tatsächlich pochte ein stechender Schmerz in seinem Kopf. Stöhnend fuhr er sich über die Stirn.
„Ich habe es dir gesagt!“
„Ja, hast du!“ Langsam watete Jakob zum Ufer. „Lass uns bloß schnell abtrocknen und dann laufen, damit wir wieder warm werden.“ Er wagte es nicht, hinter sich zu sehen und Gefahr zu laufen, sie e rneut anzustarren, wie zuvor.
Zitternd hüllte er sich in eines der dicken Handtücher ein und ru bbelte sich trocken. Julie hatte ihm den Rücken zugedreht und tat dasselbe, wobei sie sich erst ihrer Hose und dann ihres Bikinioberteils entledigte.
Jakob schloss gequält die Augen. Denk nicht mal dran! Du Idiot!
Sie raffte das Handtuch enger, drehte sich zu ihm um und blinzelte ihn neckend an. „Alles klar? Du siehst aus, als hättest du ‘nen Geist gesehen!“
„So oder so ähnlich!“ Jakob senkte zerknirscht den Blick.
„Du solltest deine Badesachen ausziehen, sonst wirst du nie warm!“
„Ja!“ Obwohl er ihr zustimmte, machte Jakob keine Anstalten, sich umzuziehen.
„Ja, aber? Ich gucke dir schon nichts ab!“
„Weiß ich!“ Jakob spürte, wie er errötete und wie gleichzeitig Wut in ihm aufkeimte. Noch immer waren seine Stimmungsschwanku ngen, sobald er unter psychischen oder physischen Stress geriet, schwer zu kontrollieren. Er konnte sich nicht ausziehen, ohne dass Fragen auftauchen würden. Fragen, woher er seine Narben hatte, wie es dazu gekommen war, und das würde unweigerlich weitere Fragen hervorbringen. Jakob stöhnte und drehte sich dann so zu Julie, dass seine vernarbte Schulter vor ihr verborgen blieb. Umständlich schälte er sich unter dem Handtuch aus seiner nassen Kleidung und wäre dabei fast umgefallen. „So ein verdammter Mist!“
„Wenn ich irgendwie helfen kann?“ Ein amüsiertes Lächeln husc hte über Julies Gesicht. Sie hatte sich längst eine weite Jogginghose und ein langärmeliges Shirt übergezogen.
Jakob grunzte und war froh, ihrem prüfenden Blick für einige S ekunden zu entkommen, als sie ihre Arme zusätzlich in einem dicken Kapuzenpullover versenkte. Schnell zog auch er seinen Pulli über und schlüpfte in seine Hose. Geschafft! Erleichtert rubbelte er sich die Haare trocken und spürte, wie sich sein Puls wieder normalisierte. Die Wut verrauchte genauso schnell, wie sie gekommen war und Jakob war froh, dass er sich einigermaßen unter Kontrolle gehabt hatte.
„Also, laufen wir?“
Er nickte und ging neben Julie zu dem Weg, der in einem weiten Bogen um den See herum führte.
5. Juli 2006, Williams Bar & Restaurant
„Was machst du morgen, nachdem wir laufen waren?“
Jakob sah überrascht auf. „Morgen ist Dienstag. Ich weiß nicht. Soll ich arbeiten? Ihr habt doch Ruhetag, oder ist was Besonderes? Ich könnte das einrichten.“
Julie grinste geheimnisvoll und setzte sich neben Jakob auf den Tresen.
„Also hast du nichts vor?“
Er reichte ihr ein Handtuch und ein Glas. „Mach dich mal nützlich, solange du mich ausfragst, dann können wir vielleicht irgendwann Feierabend machen!“
„Also hast du oder hast du nichts?“
„Was?“ Jakob fuhr zusammen, als ihn das feuchte Handtuch im Nacken traf.
„Du willst mich ärgern. Ich bin mir sicher, sonst würdest du dich nicht so doof anstellen!“
Jakob seufzte ergeben. „Ich habe nichts vor!“
„Alles klar!“
Genervt verdrehte Jakob seine Augen. „Was heißt alles klar? Mir ist gar nichts klar!“
„Weil du mir nicht richtig zuhörst!“ Noch immer lag ein zufried enes Grinsen auf ihrem Gesicht, während Julie vergnügt das Glas in ihren Händen polierte.
Jakob nahm es ihr aus den Händen, stellte es ins
Weitere Kostenlose Bücher