Stiller Tod: Thriller (German Edition)
Mailbox, wo Vlad sie bittet, »Nachricht zu hinterlassen«. Sie tut es nicht. Was soll sie sagen? Während du mich befingert hast, ist meine Tochter ertrunken?
Gedanklich ist sie wieder in der Küche, Jeans und Schlüpfer in den Knien hängend, Vlad, der von ihr weggeht, seine eifrigen Finger zum Abschied küsst, pfeifend durch die Haustür verschwindet. Caroline dreht sich um, richtet ihre Kleidung, blickt aus dem Fenster, vorbei an den beiden bekifften Männern, als Sunny zum letzten Mal untergeht.
Das Schlafzimmer scheint sich um sie zu schließen, sie zu ersticken. Und Caroline weiß, dass sie mit jemandem reden muss. Nicht mit ihren Eltern – die sind vor langer Zeit bei einem Autounfall in der Provence ums Leben gekommen. Nicht mit ihrem Bruder, dem alternden Lüstling, der in Singapur lebt oder Kuala Lumpur, und ganz sicher nicht mit ihrer grottenhässlichen, klimakterischen Schwester, die so blöd ist wie die Rinder, die sie in Herefordshire züchtet.
Sie braucht unbedingt Kontakt zu jemandem, und wenn es ihr Mann ist, und so stürzt Caroline hinaus auf den Flur. Sie findet Nick in Sunnys Zimmer, schlafend auf ihrem Bett, in Embryonalhaltung zusammengerollt, das Nachtlicht eingeschaltet, seine dicke Brille inmitten des Spielzeugwusts auf dem Nachttisch.
In einem seltenen Anflug von Zärtlichkeit beschließt Caroline, ihn nicht zu wecken, knipst die Lampe aus und geht zurück ins Schlafzimmer, wo die Erschöpfung sie schlagartig umhaut. Sie zieht die Jeans aus, zu müde, um sich noch die Zähne zu putzen oder das Gesicht zu waschen. Aber auf einmal nicht zu müde, sich in Schlüpfer und T-Shirt hinzuknien. Sie hält die betenden Hände vor sich erhoben, fühlt sich primitiv und ursprünglich, als sie irgendeinem absurden Impuls gehorcht und längst vergessene anglikanische Phrasen aus ihrer Kindheit hervorkramt.
Sie murmelt ein paar Worte, ein jämmerliches Bittgebet für Sunny und für sich selbst und für den großen Jungen, der auf dem Bett ihrertoten Tochter schläft. Doch als sie so dakniet und ihr die nackten Knie von dem Teppich jucken, empfindet Caroline die jähe und kalte Gewissheit, dass sie da draußen niemand hört. Absolut niemand.
KAPITEL 7
Dawn hat keine Ahnung, wie lange sie schon in der einzigen Kabine auf der Frauentoilette sitzt, Tür zu, Deckel runtergeklappt, und sich einfach nur entspannt, in ein Handtuch gewickelt, ihre Klamotten als Bündel auf dem Schoß. Die Musik und die Rufe und die Lustschreie dringen zwar noch durch die Sperrholzwände, aber wenigstens ist sie ein Weilchen allein.
Dann hämmert die Frau, die am Eingang kassiert, ein dickliches, schielendes Elend mit Damenbart, gegen die Wand, und Dawn zwingt sich von wo auch immer zurück, verlässt die Toilette, geht an den Bumszimmern vorbei, hört Grunzen und Ächzen, als würden Schweine gefüttert. Sylvia, die Putzfrau, mager, schwarz, fast unsichtbar in ihrem Kittel, kommt mit einem Wischmopp und einem Knäuel schmutziger Handtücher aus einem der Zimmer. Zieht ein benutztes Kondom von einem Handtuch und wirft es in den Mülleimer.
Dawn geht einen schmalen Gang entlang zur Garderobe, die Musik jetzt gedämpft, die Stimmen zweier Tänzerinnen dringen ihr laut und lärmend von drinnen entgegen, der Geruch von Tik liegt schwer in der Luft, und auf einmal sieht sie sich selbst, wie sie eine Glaspfeife über eine Feuerzeugflamme hält, bis der Inhalt blubbert wie Fett. Wie sie die Pfeife in der geballten Hand zum Mund führt, so kräftig saugt, dass sich ihre Wangen nach innen wölben, die Augen geschlossen. Wie sie diese vollkommene Entspannung empfindet, als der Rauch sie ausfüllt und ihr praktisch der Schädel wegfliegt und alle Sorgen der Welt sich einfach in nichts auflösen und sie total glücklich zurücklassen, als hätte Gott selbst sie gesalbt.
Scheiße, Dawn, reiß dich zusammen. Sie bleibt stehen, ringt um Fassung, lässt das drogenverzögerte Gespräch über sich hinweggehen.
»Und sie meint …« Ein Husten.
»Was meint sie?«
»Sie meint, nee!«
»Nee?«
»Ja. Nee.«
»Und was hast du gesagt?«
»Ich hab sie angesehn und gesagt, ich tret dir in den Arsch, du blöde Fotze.«
»Ja klar.«
»Echt.«
Dawn sieht Brittany vor sich, wie sie mit ihren Plüschtieren schläft, und das gibt ihr die Kraft, den Raum zu betreten. Zwei gestandene Veteraninnen des Fleischgewerbes fläzen sich nackt in ihren Sesseln vor den Spiegeln, nuckeln an einem Styroporbecher mit Tequila und einer Tik-Pfeife, die
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