Stiller Tod: Thriller (German Edition)
Nachttischlampe an, kramt ihr Handy aus den Falten der Bettdecke hervor, sieht das blinkende Licht, das eingegangene Nachrichten signalisiert. Das Handy hat den ganzen Nachmittag gebimmelt wie ein Glücksspielautomat. Sie sieht sich die Liste der entgangenen Anrufe an. Alle von irgendwelchen Bekannten, bestimmt mit unbeholfenen Versuchen, Trost zu spenden. Nichts von Vlad. Sie drückt die Kurzwahltaste mit seiner Nummer. Schon wieder die Mailbox.
Diesmal hinterlässt sie eine Nachricht: »Sunny ist gestern ertrunken, gleich nachdem du gegangen bist. Wir haben morgen früh um zehn hier am Strand eine Trauerfeier für sie, und es wäre mir wichtig, dass du kommst.« Wie eine brave Bilderbuchhausfrau, die den Pastor auf eine Tasse Tee einlädt.
Caroline lässt das Handy fallen, macht die Lampe aus und legt sich ausgestreckt aufs Bett, wirft die Zigarette in die Tasse auf dem Nachttisch.Sie merkt, dass sie die Leggings mitsamt Slip runtergezogen hat und ihren Schritt befingert. Sie versucht ziemlich erfolglos, sich vorzustellen, es wären Vlads fleischige, aber geschickte Hände.
Mit den Fingerkuppen der rechten Hand streicht sie über den dünnen Flaum ihrer Schamhaare, Brazilian Waxing kommt für sie nicht in Frage. Ihre Finger gleiten nach unten über den knochigen Hügel und ertasten die Lippen ihrer Vagina. Knauserig, so hat ein ehemaliger Liebhaber mal ihre Möse beschrieben. Aber sie ist nass, und Caroline schiebt einen Finger hinein, versucht, sich irgendwie Lust zu verschaffen. Sie war noch nie gut im Masturbieren, lässt sich meist ablenken und verliert das Interesse, ehe sie kommt. An diesem Abend ist das nicht anders.
Ungebeten gleiten ihre Finger heraus und zu ihrem Bauch hoch, bis sie die Verwerfungslinie ihrer Kaiserschnittnarbe erreichen, das Gewebe dort noch immer fester als die Haut drum herum, und schlagartig wird sie wieder von der Realität übermannt, dass Sunny tot ist. Sie fühlt sich so zerbrechlich wie in dem kurzen Moment vorhin, als sie Nick in der Küche erlaubte, sie zu umarmen.
Kommt nicht in Frage, Caroline. Kommt absolut nicht in Frage.
Sie setzt sich auf, schaltet die Lampe an, die Zimmerwände beginnen, von ihr zurückzuweichen, und sie weiß, dass sie kurz davor ist, in eine Leere hineinzufallen, aus der es kein Zurück mehr gibt. Hastig greift sie nach dem Laptop, massiert das Touchpad, um Skype zu öffnen, und schluchzt beinahe vor Erleichterung, als sie sieht, dass ihre älteste und liebste Freundin Julia online ist.
Caroline klickt das grüne Telefon an – du-di-du-di-du-di –, und Jules ist da, blinzelt sie an, eine Zigarette zwischen die Lippen geklemmt, während sie sich hinsetzt.
»Himmel, Caro! Wie geht’s dir, Süße?«
Es ist eine Wohltat, jemanden so sprechen zu hören, wie sie spricht, ein leicht abgeschwächtes Oxfordenglisch mit deutlich gerundeten Vokalen. Hier draußen in Südafrika wird Englisch wie eine stumpfe Waffe benutzt.
Jules plappert weiter. »Ich hab nicht viel Zeit«, sagt sie. »Unten warten ein paar Bangladescher oder Afghanen aufs Abendessen. Geschäftspartner von Ollie. Widerwärtige, frauenfeindliche kleine Dschihadisten. Hab mich nur kurz auf eine Zigarette nach oben geschlichen.« Caroline sieht die Bücherregale im Hintergrund des Zimmers im obersten Stock der georgianischen Villa am Fitzroy Square. Oliver macht Börsengeschäfte und ist stinkreich geworden. Julia blickt mit zusammengekniffenen Augen auf ihren Monitor, runzelt die Stirn. »Was ist los, Caro? Du siehst total fertig aus.«
»Jules«, sagt Caroline. »Sunny ist tot.«
Julia inhaliert gerade und fängt vor Schock an zu würgen, hustet und starrt in die Kamera. »Scheiße, Caroline, was hast du gesagt?«
Caroline erzählt es ihr, gibt die Ereignisse des letzten Tages wieder, während Julia wie erstarrt dasitzt, die Asche an der vergessenen Zigarette länger wird und ihr schließlich in den Schoß fällt, worauf sie hektisch wischt und halblaut »Scheiße« und »Sorry« sagt.
»Mein Gott, o mein Gott.« Julia drückt die Zigarette aus und schüttelt den Kopf. »Caro, es tut mir so leid …«
»Ich weiß.«
»Komm nach Hause, Süße. Versprich mir, dass du nach Hause kommst.«
Ehe Caroline antworten kann, verschwindet Jules, Julie, Jule- jah – vor zwei Jahren an Eierstockkrebs gestorben – vom Bildschirm. Caroline unterdrückt einen Aufschrei, schleudert den Laptop aufs Bett und springt hoch, schlingt die Arme um sich, als wollte sie ihr rasendes Herz
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