Stiller Tod: Thriller (German Edition)
festhalten.
Das Ding, das sie jetzt im Griff hat, ist übel. Schlimmer als seine Vorgänger.
Fieberhaft durchwühlt Caroline das Durcheinander auf dem Nachttisch, findet ihre Tabletten und will gerade eine aus der Blisterverpackung drücken, als ihr ein Flashback kommt. Sie sieht ihren Ehemann am Strand, wie er mit dem australischen Vollidioten zusammensteht und ihm Marihuanarauch aus dem Kopf quillt, und mit einem Malverwandelt sich ihr Entsetzen in eine Wut, die in ihr hochkocht und den Schmerz abtötet. Ihre Trauer wegbrennt. Jedes Restgefühl von Schuld wegbrennt. Den Mann ins Visier nimmt, der sich unten in seine Höhle verkrochen hat.
Exley sinkt zu Tode erschöpft am Computertisch zusammen, wird die Angst nicht los, dass das, was er geschaffen hat, so plump ist wie eine Gummipuppe. Bartstoppeln jucken ihn im Gesicht, und ein saurer Geruch steigt in Wellen von seinem schmutzigen T-Shirt auf. Irgendeine primitive Vorstellung hat ihn im Griff, sagt ihm, wenn er duscht und sich umzieht, tilgt er alles, was noch von seiner Tochter geblieben ist, als bewahrte er den letzten Rest von ihr auf seiner ungewaschenen Haut und verdreckten Kleidung.
Er verkleinert das Modeling-Interface und bringt sich selbst zurück an die Wurzel: holt die MoCap-Daten auf den Monitor, sucht nach einer Sequenz, die er extrahieren und loopen kann.
Seine Erfindung hat jede winzige Bewegung von Sunnys Körper aufgezeichnet, während sie tanzte, und Exley sitzt wie hypnotisiert da, betrachtet die reine, unmittelbare Essenz seines Kindes. Die Art, wie sie von einer wackeligen Pirouette dazu übergeht, mit den Füßen zu stampfen wie eine Squaw – von ihrer Pocahontas-DVD abgeguckt –, ihre nach innen gedrehten Füße, die leicht x-beinige Haltung, die Arm- und Handbewegungen à la Bollywood, wie ihr Kinn sich vorschiebt und ihr Po sich nach hinten reckt, um die Balance zu halten.
Er ist so entrückt, dass er nicht hört, wie die Tür aufgeht. Er merkt erst, dass seine Frau im Raum ist, als ihre Faust ihn hinter dem rechten Ohr trifft. Sie sagt nichts, ihr Atem geht krächzend, ihr Blick ist wild und unstet.
»Verdammt, Caroline, hör auf!«, sagt er und hebt die Arme, um sich vor ihren wahllosen Schlägen zu schützen.
Aber gegen ihre Gewalt können seine Worte nichts ausrichten. Sie packt den Computermonitor, will damit nach ihm werfen. Ein Glas landet auf dem Boden und zerspringt. Exley steht auf und schlingt dieArme um ihre Taille, zieht sie von seiner Workstation weg, schleift sie aus dem Raum.
Caroline befreit sich aus seinem Griff, zerkratzt ihm mit den Fingernägeln Wangen und Hals. Sie ohrfeigt ihn. Er packt sie an den Schultern und schubst sie nach hinten. Sie straucheln, fallen beide auf die Fliesen vor dem Studio, und Caroline windet sich unter ihm.
Ihr Knie trifft ihn in die Eier, und seine Arme lösen sich, und sie ist auf ihm, schwingt die Fäuste. Ein Schlag auf die Nase treibt ihm Tränen in die Augen. Er packt ihre Handgelenke und spürt ihre manische Kraft, als sie einen Arm losreißt und ihn auf die Brust schlägt. Er kommt irgendwie auf die Knie und umschlingt sie wieder, fällt auf sie, drückt sie auf die Fliesen.
Es ist ein stummer Kampf, sie beißt und tritt und kratzt, aber keiner von ihnen sagt ein Wort, ihr Keuchen bleibt das einzige Geräusch. Ein Lauscher würde schwören, dass sie vögeln.
Caroline drückt den Rücken durch und reißt die Beine hoch, und Exley muss alle Kraft aufbieten, um nicht von ihr runterzufliegen. Auf einmal ist es, als sei ein Schalter umgelegt worden, und die ganze manische Energie in ihr verpufft. Sie bleibt still liegen, atmet röchelnd.
»Lass los!«, sagt sie, ihre Stimme tonlos vor Erschöpfung.
Er wartet einen Moment, um sicherzugehen, dass es kein Trick ist, aber Caroline ist ausgebrannt, und er rollt von ihr runter, sitzt da, die Hände um die Beine gelegt, starrt sie an, während sie auf die Knie kommt, sich die Haare aus dem Gesicht streicht.
»Nimmst du deine Tabletten?«, fragt er atemlos, mit hämmerndem Herzen.
»Was denkst du wohl?«
»Ich denke nein«, antwortet er. »Und du weißt, du solltest sie nehmen. Gerade jetzt. Du stehst unter immensem Druck.«
Sie steht auf. »Ach, hör auf mit der Schönfärberei, Nicholas. Na los, sag’s schon. Sag das Wort, dass du die ganzen Scheißjahre so vorsichtig vermieden hast.«
Er rappelt sich hoch, noch immer misstrauisch. »Caroline …«
»Na schön, dann sag ich es eben: Verrückt. Ich bin total
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