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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
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übergegangen.
    Als das Telefon klingelte, hörte er ein Weilchen zu, dann raunzte er in den Hörer: „Auch dafür werden wir eine Lösung finden.“
    Sven wusste, dass sich der Mann am Telefon auf Heidrichs Wort verlassen konnte.
    Beim Abschied behielt der Alte die Pranke des Jungen etwas länger als sonst in der seinen und sah ihm noch einmal prüfend ins Gesicht. Dann murmelte er wieder etwas in seinen Bart, das klang wie: "Hoffentlich hast du dich da man nicht übernommen. Ist schon besser, wenn Frau und Kind gesund sind!"
    Doch Sven tat die Anteilnahme des Meisters mit einem Achselzucken ab. Er würde schon mit allem klarkommen, versicherte er leichthin und sah sehr wohl, dass Heidrich ihm nicht so recht zu glauben schien.
    Und wenn er ehrlich war zu sich selbst, dann musste er einräumen, dass er sich die Sache mit Annes Krankheit anfangs auch etwas leichter vorgestellt hatte. Doch das ging schließlich niemanden etwas an. Er staunte sowieso über sich, dass er seinen Eltern in diesem Punkt nichts verschwiegen hatte.
     

Krebs - der verfluchte Feind …
     
    Wie war das noch mal mit Anne? Sven überlegte unterwegs angestrengt. Sie wollte sich um keinen Preis operieren lassen wegen des Kindes? Überhaupt hatte sie jegliche Behandlung mit starken Medikamenten abgelehnt, die das Leben von Laura hätten gefährden können?
    Sie war also damals nur zum Hochpäppeln im Krankenhaus gewesen? Und zur sogenannten Psychotherapie? Aber warum war sie dann immer weniger geworden?
    Jetzt ärgerte er sich, dass er von medizinischen Dingen so gut wie nichts verstand. Er selbst war bisher nie ernstlich krank gewesen. Seine paar läppischen Erkältungen hatte seine Mutter stets nur mit Tee oder Umschlägen auskuriert.
    Aber dieser Krebs - der verfluchte Feind! Der ging weit über sein Fassungsvermögen hinaus. Und wenn Anne ihm etwas über diese schreckliche Krankheit erklären wollte, dann hatte er sie immer schon nach ein paar Minuten gebeten, ihn
mit solchem Zeug
zu verschonen, weil ihm der Kopf schwirrte.
    Immer seltener hatte er sich überwinden können ihr zuzuhören. Doch unabhängig davon, stand für ihn fest: Er brauchte Anne, das wusste er. Wie sie ihn wahrscheinlich auch. Dass er alles, aber auch wirklich alles, für seine Frau tun wollte, das stand für ihn fest.
    Ob das auch für seine Tochter Laura galt, wusste er noch nicht. Er hatte sie ja noch nicht einmal zu Gesicht bekommen.
    Schon allein die Vorstellung ihrer Winzigkeit machte ihm Angst. Ich bin Maurer dachte er zerknirscht, was soll ich mit so einem kleinen Wesen anfangen? Na gut, wenn es wenigstens ein Junge gewesen wäre!
    Nicht auszudenken also, wie er ohne Anne klarkommen sollte. Sie musste einfach gesund werden!
    Als Sven das Zimmer im Kottberger Krankenhaus betrat, kam es ihm so vor, als hätte er das alles schon einmal erlebt. In den hohen Metallbetten die bleichen Gesichter auf den weißen Kissen. Diesmal lag Anne genau gegenüber der Tür. Sie schien zu schlafen. Doch der leichte Windzug, der beim Öffnen der Tür entstanden war, ließ sie aufblicken. Sven hatte sie nicht gleich gesehen und sich suchend im Zimmer umgeschaut. Sein Blick war nach hinten an die Wand gewandert, aber dort lag eine alte Frau mit zerzausten, grauen Haaren und schnarchte. Etwas irritiert fing er schließlich Annes Lächeln aus nächster Nähe auf. Schnell war er an ihrem Bett.
    "Wie geht es dir, meine Liebe?"
    "Ich bin operiert - was sagst du zu unserer Tochter? Hast du sie schon gesehen?"
    Während Svens Sorgen sich hauptsächlich um seine Frau drehten, galt ihr eigenes Interesse offenbar in erster Linie ihrer kleinen Tochter.
    "Ach ja, entschuldige, ich habe sie noch gar nicht gesehen, sie musste ja gleich nach Berlin gebracht werden, hat die Ärztin gesagt. Ich war erst mal bei meinen Eltern, jetzt bin ich bei dir! Zu Laura will ich morgen. Ich bin auf jeden Fall sehr stolz, dass du mir eine Tochter geschenkt hast!"
    Schnell und deshalb wenig überzeugend hatte er sein Sprüchlein herunter gehaspelt, versuchte nun, sie sanft zu umarmen, damit sie ihm nicht in die Augen schauen konnte.
    Anne lächelte wissend, hatte sie ihn durchschaut?
    Oder verzog sie das Gesicht vor Schmerzen?
    Besorgt streichelte Sven ihre Wangen und ihren Handrücken, auf dem die Äderchen durchschimmerten.
    Ihm fiel auf, dass sie keinen Ehering mehr trug.
    "Ich komme bestimmt bald nach Hause", flüsterte sie, sah aber nicht sehr froh dabei aus.
    Wieso sagte sie das so komisch, freute sie sich nicht

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