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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ihren Körper verkaufte, ein wenig geschlagen oder mit Gewalt genommen wurde?
    Vida bemerkte nichts dazu, aber wiederum waren ihre Gefühle deutlich in ihrem Gesicht zu lesen.
    Monk stellte Fragen nach Zeit und Ort, wollte alles wissen, woran Dot sich erinnern konnte und wodurch sich diese Männer von anderen unterscheiden ließen.
    Dot hatte sie nicht richtig gesehen. Sie waren nicht mehr gewesen als Umrisse, ein Gesicht, ein Schmerz in der Dunkelheit. Sie hatte einen überwältigenden Zorn in ihnen gespürt und nachher dann Erregung, ja sogar Jubel.
    Monk ging durch den Schnee davon, so blind vor Zorn, daß er die Kälte kaum mehr wahrnahm. Er hatte sich an der Straßenecke von Vida Hopgood verabschiedet, um den Bezirk Seven Dials hinter sich zu lassen und zu den offenen Durchgangsstraßen zurückzukehren, den Lichtern und dem Verkehr der Stadt. Später würde er sich einen Hansom suchen und den Rest der Strecke zurück in seine Wohnung in der Fitzroy Street fahren. Jetzt hatte er das Bedürfnis, nachzudenken und seinen Muskeln etwas zu tun zu geben, seine Energie im Laufen zu verströmen und den scharfen Schmerz des Eiswindes auf seinem Gesicht zu spüren.
    Diese Vergewaltigungen folgten einem bestimmten Muster. Die Gewalttätigkeit war dieselbe und immer unnötig. Die Täter suchten sich keine widerstrebenden Frauen aus. Gott helfe ihnen, sie waren nur allzu willig. Sie waren keine berufsmäßigen Prostituierten, sondern verzweifelte Frauen, die ehrlicher Arbeit nachgingen, wenn sie konnten, und nur auf die Straße gingen, wenn der Hunger sie trieb.
    Warum keine Berufsprostituierten? Weil hinter denen Männer standen, die sich um sie kümmerten. Sie stellten eine Ware dar, zu wertvoll, um sie zu gefährden. Wenn jemand sie schlug, entstellte oder ihren Wert verringerte, dann waren es die Zuhälter selbst, die »Besitzer«, und sie taten es immer aus einem bestimmten Grund. Meist, um sie für einen Diebstahl zu bestrafen, weil sie in ihre eigene Tasche gearbeitet hatten, statt den Lohn ihrem Herrn auszuhändigen.
    Den Gedanken an einen Rivalen, der versuchte, das Gebiet zu übernehmen, hatte Monk bereits verworfen. Diese Frauen teilten ihre Einnahmen mit niemandem. Sie waren in keiner Weise eine Bedrohung für die Frauen, die sich allein mit Prostitution ihren Lebensunterhalt verdienten. Außerdem würde ein Zuhälter zwar schlagen, aber nicht vergewaltigen. Das war keines der Kennzeichen eines Unterweltverbrechens. Die Sache brachte keinen Profit. Menschen, die sich nur mit Mühe ihr Überleben sichern konnten, verschwendeten weder Energie noch mögliche Einnahmequellen wieder und wieder auf sinnlose Gewalttätigkeit.
    Monk bog um eine Ecke, und der Wind traf ihn bitterkalt und brannte auf seiner Haut, daß ihm die Augen tränten. Er wollte eigentlich nach Hause gehen, abwägen, was er gehört hatte, und sich eine Strategie zurechtlegen. Aber die Verbrechen hatten sich nachts ereignet. Die Nacht war die Zeit, in der er nach anderen Zeugen Ausschau halten sollte, Droschkenfahrern, die Fahrgäste auflesen und aus den Randbezirken von Seven Dials Richtung Westen kutschiert hatten. Es wäre nicht anständig gewesen, wenn er in seine eigenen, geheizten Räume zurückgekehrt wäre, zu warmem Essen und einem sauberen Bett, und sich dann eingeredet hätte, daß er gerade versuchte, den Mann zu finden, der diese sinnlosen und bestialischen Dinge getan hatte.
    Monk streifte bis lange nach Mitternacht durch die Straßen am Rand von Seven Dials, wobei er sich überwiegend im Nordwesten hielt, Richtung Oxford Street und Regent Street, wo er mit einem Droschkenfahrer nach dem anderen sprach und immer dieselben Fragen stellte. Die allerletzte Begegnung war typisch für den Verlauf sämtlicher dieser Gespräche.
    »Wo soll’s denn hingehen, Chef?«
    »Nach Hause. Fitzroy Street«, erwiderte Monk, der immer noch auf dem Pflaster stand.
    »Na denn.«
    »Arbeiten Sie oft in dieser Gegend?«
    »Hm, ja. Warum?«
    »Tut mir leid, daß ich Ihnen eine so weite Fahrt aufbürden muß.« Er setzte seinen Fuß auf das Trittbrett, er ließ sich Zeit.
    Der Droschkenfahrer stieß ein rauhes Lachen aus. »Dafür bin ich schließlich hier. Nur mal kurz um die Ecke zu fahren bringt mir nicht viel.«
    »Sie bringen doch manchmal auch Leute nach Nordwesten, nicht wahr?«
    »Manchmal. Steigen Sie nun ein oder nicht?«
    »Ja«, antwortete Monk, ohne es dann jedoch wirklich zu tun.
    »Erinnern Sie sich an zwei Herren aus dieser Gegend, es muß so

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