Stilles Echo
ungefähr zu dieser Stunde der Nacht gewesen sein oder später. Die beiden sahen aus, als hätten sie eine Rauferei hinter sich gehabt, vielleicht waren sie naß, vielleicht hatten sie Kratzer oder Schrammen abbekommen. Jedenfalls wollten sie wieder nach Westen gebracht werden. Erinnern Sie sich?«
»Warum? Was geht das Sie an? Ich bringe jede Menge Herren wohin. Wer sind Sie eigentlich, und weshalb wollen Sie das wissen?«
»Einige Frauen hier aus der Gegend sind zusammengeschlagen worden, und das ziemlich übel«, erwiderte Monk. »Und ich glaube, es waren Männer, die aus einem anderen Teil der Stadt kamen, um sich ein wenig zu amüsieren, und zu weit gegangen sind. Ich würde sie gerne finden.«
»Ach ne!« Der Kutscher zögerte und wog die Vor und Nachteile einer Zusammenarbeit mit Monk ab. »Warum? Die Frauen gehören Ihnen, wie?«
»Ich werde dafür bezahlt«, erwiderte Monk wahrheitsgemäß.
»Die Sache bedeutet jemandem genug, um zu versuchen, ihr einen Riegel vorzuschieben.«
»Wer soll das sein? Die Zuhälter? Hören Sie, ich werde hier nicht die ganze Nacht rumstehen und Ihre blöden Fragen beantworten, es sei denn, Sie zahlen. Klar?«
Monk griff in seine Tasche und förderte eine halbe Krone zutage. Er hielt sie in die Höhe, so daß der Kutscher sie sehen konnte, überließ sie ihm aber noch nicht.
»Ich arbeite für Vida Hopgood, deren Mann die Fabrik gehört, in der die Frauen arbeiten. Sie hat etwas gegen Vergewaltigung. Ich habe den Eindruck, Ihnen ist das egal?«
Der Kutscher fluchte, und seine Stimme hatte einen wütenden Klang angenommen. »Wer zum Teufel sind Sie, daß Sie behaupten, mir wäre es egal, wo Sie doch selber so ein verfluchter feiner Pinkel aus dem Westen sind? Diese Bastarde kommen hierher, nehmen sich eine Frau und behandeln sie wie Dreck. Dann fahren sie wieder nach Hause zurück, als hätten sie bloß ‘nen hübschen Ausflug in die Stadt gemacht!« Er machte keinen Hehl aus seiner Verachtung.
Monk gab ihm die halbe Krone, und er biß automatisch hinein.
»Also, wo haben Sie die beiden einsteigen lassen, und wohin haben Sie sie gebracht?« fragte Monk.
»Eingestiegen sind sie in der Brick Lane«, antwortete der Kutscher. »Und ausgestiegen oben am Portman Square. Ein andermal habe ich sie zum Eaton Square gebracht. Das heißt aber nicht, daß sie da wirklich wohnen. Da finden Sie eher eine Nadel im Heuhaufen als die beiden. Die waren verdammt vorsichtig, diese Mistkerle, was? Damals habe ich mir natürlich nichts dabei gedacht. Sie brauchen nicht mal in der Nähe vom Portman Square zu wohnen. Vielleicht sind sie da auch bloß in den nächsten Hansom gestiegen, um sich nach Hause bringen zu lassen. Die können überall wohnen.«
»Es ist immerhin ein Anfang.«
»Ach, erzählen Sie mir doch nichts! Nicht mal die Scheißbullen könnten die Kerle finden!«
»Vielleicht nicht, aber die Männer sind ein dutzendmal hiergewesen, vielleicht sogar häufiger. Irgendwo muß es einen Hinweis geben, und wenn es ihn gibt, dann werde ich die Männer finden«, sagte Monk mit leiser, verbitterter Stimme.
Der Droschkenfahrer schauderte, und der Schnee war nur einer der Gründe dafür. Er blickte in Monks Gesicht.
»Sie sind wie ein Wolf, wie? Ich bin verdammt froh, daß Sie nicht hinter mir her sind! Also, wenn Sie nach Hause wollen, steigen Sie in meine Kutsche, und wir bringen es hinter uns. Wenn Sie die ganze Nacht hier rumstehen wollen, dann müssen Sie auf mich verzichten und auf mein Pferd auch, den armen Gaul!«
Monk stieg ein und setzte sich. Es war zu kalt, um sich zu entspannen, aber langsam und unter stetigem Schaukeln kam er der Fitzroy Street und einem warmen Bett immer näher.
Am nächsten Morgen erwachte er mit schmerzenden Gliedern und pochendem Schädel. Er war schlechter Laune, und er hatte kein Recht dazu. Er besaß ein Zuhause, Essen, Kleidung und eine Art von Sicherheit. Der Grund für sein körperliches Ungemach lag darin, daß er beim Einschlafen noch immer ganz steif vor Zorn gewesen war.
Er rasierte sich, kleidete sich an, frühstückte und ging zu dem Polizeirevier, in dem er früher gearbeitet hatte, vor dem letzten und unwiderruflichen Streit mit Runcorn, nach dem er den Dienst hatte quittieren müssen. Das war noch nicht allzu lange her, ungefähr zwei Jahre. Man erinnerte sich auf dem Revier noch immer sehr deutlich und mit gemischten Gefühlen an ihn. Es gab Männer dort, die noch heute Angst vor ihm hatten, die unterschwellig immer noch mit
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