Stimmen aus dem Nichts
den Problemen im Leben auseinander setzen. Nur fehlt manchen Leuten dazu der Mut. Und diese Hilfe leistet die Gesprächstherapie. Mit ihrer Hilfe hat Emily das Schlimmste überstanden und ist langsam auf dem Weg der Besserung. Die Tumore haben sich zurückgebildet und ihr seelisches Gleichgewicht ist wieder stabil. Beruflich muss sie jedoch noch etwas kürzer treten. Die Ärzte haben ihr erst mal eine sechswöchige Kur verschrieben.«
»Dass Emily dir schließlich ihre Krankheit anvertraut hat«, grübelte Justus, »meinst du, das ist auf die Gesprächstherapie zurückzuführen?«
»Das meine ich nicht nur, das weiß ich. Die Therapeutin sagte ihr, sie solle keine Gefühle unterdrücken und über alle Ängste und Sorgen frei sprechen. Sie sollte sich auf keinen Fall von ihren Mitmenschen isolieren. Und deshalb fing Emily an, offen mit mir über ihre Krankheit zu sprechen. Vertrauen war dabei natürlich die Grundvoraussetzung.«
Onkel Titus hatte in der Zwischenzeit ordentlich zugelangt und auf seinem Teller Brot, Käse und Wurst angehäuft. Das erinnerte Justus an Mrs Holligans Satz mit der Salamitaktik. »Tante Mathilda«, fragte er, »was würde denn geschehen, wenn die Therapeutin dem Patienten genau das Gegenteil verordnet?«
»Eine interessante Frage. Was wäre denn deiner Meinung nach das Gegenteil?«
»Dass man sich seinen Mitmenschen gegenüber verschließt, schweigt und sich zurückzieht.«
»So ein Unsinn, Junge. Darüber haben wir doch eben gerade gesprochen.« Tante Mathilda sah Justus belehrend an. »Gerade das will die Therapeutin doch verhindern.«
»Du bist also der festen Überzeugung, eine solche, wie von mir eben beschriebene Therapiemethode gibt es nicht?«
Nun wurde Tante Mathilda unsicher. Doch schließlich schüttelte sie den Kopf. »Eine seriöse Therapeutin würde so etwas sicher nicht verordnen. Das wäre ja geradezu verwerflich. Wer hat dir so einen Unsinn erzählt?«
»Ich war doch gestern bei Dr. Hendrixen zur Vorsorgeuntersuchung, und da kam ich mit einer Patientin von Dr. Franklin ins Gespräch.«
»Die ist doch auch Emilys Therapeutin gewesen! Eine absolute Expertin!« Tante Mathilda geriet geradezu ins Schwärmen. »Und die soll so einen Unsinn verordnet haben? Das glaubst du doch wohl selbst nicht! Bist du sicher, dass du da nichts in den falschen Hals bekommen hast? Ich weiß zwar nicht, wie diese Patientin überhaupt darauf kommt, dir so etwas zu erzählen, aber wenn das tatsächlich stimmen sollte, dann wirft das mein gesamtes Wissen über den Haufen.«
Dem konnte Justus nur zustimmen. Er hatte der ganzen Geschichte gegenüber ein ungutes Gefühl. Mrs Holligans Schilderungen wollten nicht aus seinem Kopf verschwinden.
Unsichtbare Talkgäste
»Wir hatten vereinbart, demokratisch abzustimmen, Just! Bob und ich sind dagegen.«
Peter gesellte sich verschwörerisch zu Bob.
Der Erste Detektiv hatte nach dem Gespräch mit seiner Tante und seinem Onkel die Nacht über kaum ein Auge zugetan und gegen zwei Uhr früh entschieden, eine erneute Besprechung mit seinen beiden Kollegen zu führen. Jetzt saßen Peter und Bob in ihrer Zentrale auf dem Schrottplatz und Justus erläuterte ihnen seine Zweifel, die ihm gegenüber Dr. Franklins dubioser Therapieverordnung gekommen waren. Dass sich Tante Mathilda Justus’ Theorie anschloss, schien Peter in keiner Weise zu interessieren. Er zählte auf Bob und hoffte inbrünstig, dass dieser ihm keinen Strich durch die Rechnung machen würde, wenn es darum ging abzustimmen.
»Ich bin dagegen!« Demonstrativ hob der zweite Detektiv seinen Arm. »Nun los, Bob. Sag doch auch mal was dazu.«
Bob zuckte verlegen mit den Schultern. »Ich weiß nicht recht. Irgendwie kann ich euch beide verstehen. . .«
»Das darf doch wohl nicht wahr sein!« Peter ging förmlich in die Luft. »Auf was für einem Trip seid ihr eigentlich? Justus begegnet in der Arztpraxis einer offensichtlich geistig verwirrten Frau, die Stimmen hört und uns einen Fall überträgt, um ihn uns kurz darauf, aus meiner Sicht aus nachvollziehbaren Gründen, wieder zu entziehen. Und was plant Justus? Er will sich mit aller Macht in das Privatleben dieser Dame drängen, obwohl sie uns gestern eine ganz klare Abfuhr erteilt hat.«
»Was glaubst du denn, hat Mrs Holligan dazu bewogen, uns wieder wegzuschicken?«, fragte Justus provozierend.
»Schon mal was von Abgrenzung gehört?« Peter warf Justus einen anklagenden Blick zu und übernahm auch gleich die Antwort. »Vermutlich
Weitere Kostenlose Bücher