Stimmen aus dem Nichts
mir sicher, dass unser kurzes Leben hier auf der Erde einer Prüfung unterliegt. Wir müssen einander schätzen und achten lernen, ohne an die eigenen Vorteile zu denken. Materielles Denken ist primitives Denken. Diese Erfahrung hat mich siebzig Jahre lang begleitet. Geld und Besitz machen nicht glücklich; es sei denn, man ist bereit zu teilen.
Ich habe gelernt, dass zwischen ›sagen‹ und ›tun‹ Welten liegen. Deshalb vermache ich mein gesamtes Vermögen von derzeit 20 Millionen Dollar meiner engsten Vertrauten Dr. Clarissa Franklin, geboren am 18. Juni 1946 in Boston. Sie hat mich gelehrt, dass die Nächstenliebe das oberste Gebot auf Erden ist, und hat mich auf den Pfad der Weisheit gebracht. Sie plant eine Stiftung für tumorkranke Menschen zu errichten. Ich wünsche der Schirmherrin alles erdenklich Liebe und hoffe, dass sie mit ihrer aufopfernden Hilfe noch viele Menschen glücklich machen wird.
In größter Hochachtung
Ich hatte also Recht mit meiner Vermutung. Dr. Franklin wird nach Mrs Holligans Tod um zwanzig Millionen Dollar reicher sein.« Justus knetete an seiner Unterlippe. »Was liegt da näher, als ihrem Leben ein vorzeitiges Endes zu bereiten.«
»Aber wir haben keine Beweise, Chef.« Peter war nicht sehr zuversichtlich. »Sicher, das Testament ist so formuliert, dass unsere Psychologin das Geld ohnehin bekommt. Auch ohne vorher die Tumorstiftung aus der Taufe zu heben. Wenn sie das überhaupt vorhat.«
»Das wage ich zu bezweifeln.« Justus nahm das Testament aus der Plastikhülle und reichte es Peter zum Fotokopieren, bevor er einen Blick in den anschließenden Nebenraum warf. Auch hier stand ein Schreibtisch, über und über mit Büchern bepackt, deren Titel von ›Moderne Psychologie‹ bis ›Die Macht des Unterbewusstseins‹ reichten. Es war deutlich zu erkennen, dass Dr. Franklin diesen kleinen Raum als Arbeitszimmer nutzte.
Spontan zog Justus eine der kleinen messingbeschlagenen Schubladen auf und bekam sogleich Stielaugen. Er griff hinein und zog ein kleines Diktiergerät hervor. Zwei Tonkassetten mit einem Gummiband umspannt lagen dabei. Der Name auf dem alten abgeriebenen Aufkleber lautete: Metzla.
»Na sieh mal an«, waren die einzigen Worte, die er hervorbrachte, bevor er mit dem Diktiergerät in den bereitstehenden Ledersessel plumpste. Mit der Kopie des Testaments in den Händen kam nun auch Peter dazu und sah ihm interessiert über die Schulter. »Was hast du da?« Statt einer Antwort legte der Erste Detektiv die Kassette in das Gerät und drückte auf die Starttaste.
Anfangs war nur ein Rauschen zu hören. Dann vernahmen die beiden das röchelnde Stöhnen und Husten einer alten Frau, der von einer jüngeren gut zugeredet wurde: Dr. Clarissa Franklin und Metzla Holligan!
Den beiden Detektiven lief eine Gäsenhaut über den Rücken. Sie saßen mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen vor dem Diktiergerät und wagten kaum zu atmen. Die Aufnahmequalität ließ zwar etwas zu wünschen übrig, trotzdem konnte man jedes Wort deutlich verstehen:
»Ich will nicht mehr. . .« Metzla Holligans Stimme drang gequält aus dem billigen Lautsprecher. »Ihr habe ich es zu verdanken, dass ich jetzt hier liege. Sie hat mich mein ganzes Leben provoziert. Und jetzt, wo ich im Sterben liege, da spielt meine Schwester den Samariter. . . Abigail. . . ich werde nicht eher ruhen, bis du das Zeitliche gesegnet hast, du alte Schlampe. . .«
»Den Satz haben wir durchs Telefon gehört!«, rief Peter so plötzlich, dass Justus erschrocken zusammenfuhr.
»Still jetzt«, ermahnte er ihn, denn auf dem Tonband war die Stimme von Dr. Franklin zu hören.
»Ihre Schwester war immer neidisch auf Sie«, meinte die Psychotherapeutin mit einem intriganten Unterton. »Ich an Ihrer Stelle würde mir gründlich überlegen, ob ich ihr auch nur einen Cent vererben würde.«
Metzla Holligans höhnisches Lachen ging in ein ersticktes Husten über. »Nein, nein. . . das ist gut so. . . Die Firma wird sie in den Ruin treiben. . . Geschieht ihr ganz Recht, diesem Miststück!«
Justus hatte genug gehört und schaltete das Gerät aus. Es dauerte einige Sekunden, bis Peter seine Fassung wieder fand. »Just, wenn ich das eben recht verstanden habe, dann hat Dr. Franklin Metzla Holligan gegen ihre eigene Schwester aufgehetzt! Eine Sterbehilfe der ganz üblen Art. Oder irre ich mich?«
»Wäre schön, wenn du dich irren würdest, doch wir halten hier die Beweisstücke eines der übelsten Verbrechen in den
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