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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Schönheit in den Augen, tief ins Fleisch.
    Weil beim Aufschlitzen der Pulsader unvermeidlich auch Sehnen durchtrennt wurden, konnte sie die Klinge mit der linken Hand nicht mehr so sicher führen wie mit der rechten. Die Wunde am rechten Handgelenk war weniger tief und blutete weniger stark als der Schnitt am linken Arm; aber auch das würde sich mit den Erwartungen der Kriminalisten decken.
    Die Klinge fiel ihr aus der Hand. Sie ließ die Arme ins Wasser sinken.
    »Vielen Dank«, sagte er.
    »Bitte sehr.«
    Der Arzt wartete gemeinsam mit ihr auf das Ende. Er hätte gehen können, im Vertrauen darauf, dass sie in diesem Zustand absoluten Gehorsams selbst ohne seine Aufsicht apathisch in der Wanne sitzen bleiben würde, bis sie tot war. Aber das Schicksal hatte ihm in diesem Spiel schon ein paar unerwartete Bälle zugeworfen, und so war er lieber auf der Hut, falls es noch eine Überraschung für ihn in der Hinterhand hielt.
    Vom Wasser stieg nicht mehr so viel Dampf auf, und der Rosenduft, den er verbreitete, war jetzt mit anderen Aromen vermischt.
    In seiner Liebe zur Dramatik erwog Ahriman, Susan aus ihrer inneren Kapelle ein paar Stufen weit ins Bewusstsein zu holen, so weit, dass sie ihre verzweifelte Lage besser würdigen konnte. Obwohl er sie auch auf solch einer höheren Stufe des Bewusstseins unter Kontrolle haben würde, bestand jedoch eine geringe, aber durchaus realistische Möglichkeit, dass sie unwillkürlich einen Schrei der Angst oder Verzweiflung von sich geben würde, was wiederum die Rentner und ihre Papageien aus dem Schlaf aufschrecken könnte.
    Er wartete.
    Das Wasser in der Wanne verdunkelte sich, während es abkühlte, obwohl das Blut, das Susan verströmte, die Farbe von lodernden Flammen hatte.
    Sie war ruhig und stumm, innerlich so passiv wie die Wanne, in der sie saß, und umso verblüffter war der Arzt, als er bemerkte, dass ihr eine einzelne Träne über die Wange lief.
    Er beugte sich ungläubig vor, überzeugt, dass es sich um einen Tropfen Wasser oder Schweiß handeln musste.
    Als der Tropfen am Kinn angelangt war, quoll ein zweiter – noch größerer, überwältigenderer – Tropfen aus ihrem Auge, und diesmal konnte es keinen Zweifel daran geben, dass es der echte, unverfälschte Stoff war.
    Hier wurde ihm mehr Unterhaltung geboten, als er erwartet hatte. Fasziniert beobachtete er, wie die Träne über die feine Wölbung ihres Wangenknochens, in das Wangengrübchen, zum Winkel ihres sinnlichen Mundes und zum Rand des Kinns lief, wo sie, als sie anlangte, zwar kleiner geworden war, aber doch noch groß genug, um wie ein diamantener Kettenanhänger bebend hängen zu bleiben.
    Dieser zweiten Träne folgte keine dritte. Die trockenen Lippen des Todes hatten alle Flüssigkeit aus ihren Augen geküsst.
    Als Susans Miene schlaff wurde und ihr Mund sich wie in ungläubigem Staunen öffnete, zitterte die zweite – und letzte – Träne an ihrem zarten Kinn und fiel dann mit einem kaum wahrnehmbaren Pling ins Wasser, als hätte jemand in einem weit, weit entfernten Raum die höchste Oktave auf einer Klaviertastatur angeschlagen.
    Grün verblasst zu Grau. Rosenhaut borgt die Farbe … der Rasierklinge.
    Dieses Haiku gefiel ihm ziemlich gut.
    Ahriman nahm den besudelten Slip vom Deckel des Wäschekorbs und verließ, natürlich ohne das Licht auszumachen, das Bad. Im Schlafzimmer nahm er die Videokassette an sich.
    Für einen Moment blieb er im Wohnzimmer stehen und sog genießerisch das Zitrusaroma ein, das die Duftmischung in den Tongefäßen verströmte. Er hatte Susan immer fragen wollen, wo sie diese spezielle Mischung herhatte, weil er sie sich auch für sein Heim kaufen wollte. Zu spät.
    An der Küchentür drehte er, Daumen und Zeigefinger umsichtig mit Kleenex umwickelt, den Knopf des einen Schlosses, das Susan nach seiner Ankunft verriegelt hatte. Nachdem er leise die Tür hinter sich zugezogen hatte, verriegelte er beide Sicherheitsschlösser mit dem Ersatzschlüssel aus dem Sekretär.
    In Sachen Sicherheitskette konnte er nichts unternehmen. Aber das war eine Kleinigkeit, über die sich die Kriminalisten nicht allzu viele Gedanken machen würden.
    Draußen erwarteten ihn Dunkelheit und Nebel, seine heimlichen Verbündeten. Die Brandung war jetzt lauter als zuvor, sodass selbst das leise Geräusch, das er mit den Sohlen auf dem Gummibelag der Treppenstufen machte, darin unterging.
    Auch diesmal begegnete er auf dem Weg zu seinem Mercedes keinem Menschen, und auf der Heimfahrt, die

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