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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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können, war er wie vom Blitz getroffen.
    Mädchen. Hinterhältig. Gerissen. Wie oft hatte ihn, als er noch ein Kind war, ein Mädchen so lange mit ihrem Spott gereizt, bis er es eine Haustreppe hinuntergestoßen oder in einen dornigen Rosenstrauch geschubst hatte, und natürlich hatte das bewusste Mädchen dann nichts Eiligeres zu tun, als zum nächstbesten Erwachsenen zu rennen und mit Unschuldsmiene zu behaupten, er habe es ohne jeden Grund und aus purer Gemeinheit angegriffen. Und nun, Jahrzehnte später, hier und jetzt, wieder ein gemeiner Verrat.
    Er hätte ihr befehlen können, den Slip im Becken auszuwaschen, kam aber zu dem Schluss, dass es klüger war, das Wäschestück gar nicht in der Wohnung zurückzulassen, sondern mitzunehmen, wenn er ging.
    Der Arzt war kein Experte, wenn es um den neuesten Stand der kriminaltechnischen Untersuchungsmethoden in Mordfällen ging, aber er war einigermaßen sicher, dass sich Fingerabdrücke auf der menschlichen Haut höchstens ein paar Stunden hielten. Man konnte sie mit Laserstrahlen oder anderen raffinierten Hilfsmitteln sichtbar machen, aber es gab, wie er wusste, auch einfachere Methoden, um das zu bewerkstelligen. Wenn man eine thermografisch beschichtete Karte oder einen unbelichteten Polaroidfilm fest auf die Haut drückte, wurde der belastende Fingerabdruck darauf übertragen; bestäubte man dann die Karte oder den Film mit schwarzem Pulver, so erschien der Fingerabdruck zunächst spiegelverkehrt, weshalb man ihn noch abfotografieren musste, damit man ein korrektes Bild des Abdrucks bekam. Notfalls tat es auch ein mit einem Pinsel direkt auf die Haut aufgetragenes magnetisches Pulver oder, sofern eine Dampfpistole und Silberfolie greifbar waren, eine Jod-Silber-Imprägnation.
    Er ging davon aus, dass man Susans Leiche frühestens nach fünf, sechs Stunden finden würde, vielleicht sogar noch wesentlich später. Die bis dahin eingetretenen ersten Verwesungserscheinungen würden sämtliche Fingerabdrücke auf ihrer Haut zerstört haben.
    Allerdings hatte er praktisch jeden Zentimeter ihres Körper mit seinen Händen berührt – und zwar ausgiebig und nicht nur einmal. Um aus Spielen dieser Art als Sieger hervorzugehen, musste man mit Elan und Begeisterung ans Werk gehen, aber man musste auch die Regeln genau kennen und ein guter Stratege sein.
    Er wies Susan an, ein heißes Bad zu nehmen. Dann dirigierte er sie Schritt für Schritt durch die Minuten, die ihr noch vom Leben blieben.
    Während das Wasser in die Wanne lief, holte sie einen Patentrasierer aus einer der Waschtischschubladen. Bislang hatte sie ihn dazu benutzt, sich die Beine zu rasieren, aber nun würde er einem schwerwiegenderen Zweck dienen.
    Sie schraubte den Rasierer auf, nahm die einschneidige Klinge heraus und legte sie auf den Badewannenrand.
    Dann zog sie sich nackt aus. Beim Anblick ihres Körpers, der keineswegs zerbrochen aussah, wünschte sich Ahriman halbwegs, er könnte sein Spielzeug noch länger behalten. Susan stand, auf weitere Anweisungen wartend, vor der Badewanne und sah zu, wie das Wasser aus dem Hahn sprudelte.
    Ahriman betrachtete ihr Bild im Spiegel, und ihre Ruhe und Gelassenheit erfüllten ihn mit Stolz. Ihr Verstand sagte ihr, dass sie bald tot sein würde; weil er aber so großartige Arbeit geleistet hatte, fehlte es ihr in diesem Zustand der vollständigen Ich-Entfremdung an der Fähigkeit, eine spontane und angemessene gefühlsmäßige Reaktion auf dieses Wissen zu zeigen.
    Dass irgendwann immer unweigerlich der Zeitpunkt kam, an dem er sich von einem Besitzstück trennen und es den Weg allen Fleischs gehen lassen musste, erfüllte den Arzt mit Bedauern.
    Am liebsten hätte er jedes einzelne von ihnen in unversehrtem Zustand konserviert und sie in eigens für sie vorbehaltenen Zimmern seines Hauses ausgestellt wie die Matchbox-Autos, die Reklamespardosen aus Spritzguss, die Figurensets und andere heiß geliebte Dinge, denen er in seinem Zuhause bestimmte Räume widmete. Welch eine köstliche Vorstellung, nach Belieben zwischen diesen Frauen und Männern herumspazieren zu können, die ihm im Laufe der Jahre willige Handlanger und Gefährten zugleich gewesen waren. Mit seinem Gravierset könnte er in liebevoller Handarbeit kleine Messingtafeln herstellen, die Aufschluss über ihren Namen, ihre Lebensdaten und den Zeitpunkt des Erwerbs gaben – wie er es auch mit den anderen Objekten seiner Sammlung machte. Natürlich besaß er mit seinen Videobändern kostbare

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