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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Erinnerungen, aber sie lieferten eben nur zweidimensionale bewegte Bilder und hatten nicht die befriedigende Tiefe und greifbare Gegenständlichkeit eines tatsächlich konservierten Spielzeugs.
    Das Problem war die Verwesung. Der Arzt war Perfektionist, und als solchem war es ihm unmöglich, einer Sammlung ein Objekt hinzuzufügen, das nicht in absolut perfektem Zustand war. Alles andere, selbst wenn man es als ausgezeichnet oder doch sehr gut hätte bezeichnen können, war nichts für ihn. Und da keine der bekannten Techniken der Konservierung, vom Mumifizieren bis zu den modernsten Einbalsamierungsmethoden, Ergebnisse brachte, die seine hohen Ansprüche erfüllten, musste er sich zwangsläufig weiterhin mit seinen Videobändern begnügen, wenn ihn nostalgische oder sentimentale Gefühle überkamen.
    Jetzt schickte er Susan mit dem Auftrag ins Esszimmer, den Block zu holen, auf den sie ihren Abschiedsbrief geschrieben hatte. Sie kehrte damit zurück und legte ihn neben das Waschbecken, auf die soeben frisch gesäuberte gekachelte Ablage des Waschtischs, wo man ihn sofort finden würde, wenn man den Leichnam entdeckte.
    Die Badewanne war voll. Sie drehte beide Hähne ab.
    Dann streute sie parfümiertes Badesalz ins Wasser.
    Der Arzt war überrascht, weil er ihr nicht ausdrücklich befohlen hatte, einen Badezusatz zu benutzen. Offensichtlich tat sie dies immer, wenn sie ein Bad nahm, weshalb sich die Gewohnheit zu einem Automatismus verselbstständigt hatte, der keines bewussten Denkens mehr bedurfte. Interessant.
    Die Dampfspiralen, die sich von der Wasseroberfläche hochrankten, verbreiteten jetzt den feinen Duft von Rosenblüten.
    Auf dem geschlossenen Deckel der Toilette sitzend und sorgsam darauf bedacht, nichts mit den Händen zu berühren, forderte Ahriman Susan auf, in die Badewanne zu steigen und sich besonders gründlich zu waschen. Die Gefahr, dass ein Laser, eine thermografisch beschichte Karte, magnetisches Pulver oder eine Dampfpistole belastende Fingerabdrücke zutage fördern konnte, war gebannt. Dafür sorgte das Bad, das bestimmt auch die letzten Spuren seines Spermas aus ihrem Körper spülen würde.
    Zweifellos gab es in der Wohnung Haare von ihm und Gewebefasern von seiner Kleidung, die im kriminaltechnischen Labor untersucht werden konnten. Aber ohne brauchbare Fingerabdrücke und andere Hinweise, die ihn auf die Liste der Verdächtigen setzten, würde es keine Möglichkeit geben, diese winzigen Beweisstücke mit ihm in Verbindung zu bringen.
    Abgesehen davon war es – angesichts der Mühe, die er sich damit gemacht hatte, der Polizei ein überzeugendes Selbstmordszenario und ein einleuchtendes Motiv zu präsentieren – wenig wahrscheinlich, dass man die Sache überhaupt als Mord untersuchen würde.
    Er hätte Susan gern noch eine Weile beim Baden zugesehen, weil sie einen höchst erfreulichen Anblick bot; aber er war müde und sehnte sich nach Schlaf. Abgesehen davon, wollte er das Haus unbedingt noch bei Dunkelheit verlassen, zu einer Stunde also, zu der die Gefahr gering war, von späteren Belastungszeugen gesehen zu werden.
    »Susan, nimm bitte die Rasierklinge.«
    Es gelang ihr erst nach einigen Mühen, die Stahlklinge, die am nassen Badewannenrand klebte, mit Daumen und Zeigefinger davon zu lösen.
    Der Arzt hätte ein spektakuläreres Schauspiel der Vernichtung vorgezogen. Eine vergiftete Tasse Tee, eine simple Schlinge – oder, wie in diesem Fall, das Aufschlitzen der Pulsadern hatte für ihn keinen besonderen Reiz. Wirkliche Befriedigung brachten Gewehre, großkalibrige Handfeuerwaffen, Äxte, Kettensägen oder Sprengkörper.
    Ihre Pistole hatte es ihm schon angetan. Aber ein Schuss hätte die Rentner in den unteren Etagen des Hauses geweckt, selbst wenn sie, wie üblich, in seligem Martinirausch zu Bett gegangen waren.
    Etwas frustriert zwar, aber fest entschlossen, seiner Vorliebe fürs Theatralische nicht nachzugeben, erklärte er Susan detailliert, wie sie die Klinge zu halten habe, wo sie den Schnitt am linken Handgelenk ansetzen und wie viel Druck sie beim Schneiden ausüben sollte. Vor dem tödlichen Schnitt ritzte sie die Haut zunächst einmal, dann noch ein weiteres Mal halbherzig ein, um auf diese Weise Spuren anfänglichen Zögerns zu hinterlassen, die sich den Gerichtsmedizinern bei dieser Art des Selbstmords in mehr als der Hälfte aller Fälle präsentierten. Beim dritten Schnitt drückte sie sich die Klinge mit ausdrucksloser Miene, nichts als die reine, grüne

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