Stimmen der Angst
ist von Dr. Ahriman.«
Überrascht nahm Dusty ihr das Buch aus der Hand, während Valet mit einem Ruck den Kopf hob und mit zuckender Nase die Luft einsog.
Es war Ahrimans derzeitiger Bestseller, ein psychologischer Ratgeber, in dem er seinen Lesern verriet, wie man lernen konnte, sich selbst zu lieben.
Weder Dusty noch Martie hatte das Buch gelesen, weil sie beide die Lektüre eines guten Romans vorzogen. Dusty folgte damit sogar nicht nur einer persönlichen Vorliebe, sondern einem Lebensprinzip. Er war der Meinung, dass in einer Zeit, in der in weiten Kreisen der Gesellschaft Lug und Trug zur gängigen Währung geworden waren, in einem einzigen Roman oft mehr Wahrheit zu finden war als in einem ganzen Sack voller Gelehrsamkeit.
Mit diesem Buch war es natürlich etwas anderes. Es war von Dr. Ahriman geschrieben, zweifellos mit dem gleichen selbstlosen Engagement, das er auch seinen Patienten entgegenbrachte.
Mit einem Blick auf das Umschlagfoto meinte Dusty: »Komisch, er hat gar nichts davon erwähnt, dass er es uns geschickt hat.«
»Es ist ja auch nicht mit der Post gekommen«, sagte Martie und deutete auf die leere Stelle, an der eine Briefmarke hätte kleben müssen. »Es wurde persönlich abgeliefert … und zwar nicht von Dr. Ahriman.«
Auf dem Aufkleber stand Dr. Clostermans Name und Adresse.
In dem Buch lag ein Zettel mit einer kurzen Nachricht von dem Internisten: Meine Sprechstundenhilfe kommt auf dem Heimweg an Ihrem Haus vorbei, deshalb habe ich sie gebeten, das Buch bei Ihnen abzugeben. Ich dachte mir, Sie könnten Dr. Ahrimans neuestes Werk interessant finden. Vielleicht haben Sie noch nie etwas von ihm gelesen.
»Seltsam«, sagte Martie.
»Ja. Er mag Dr. Ahriman nämlich nicht.«
»Wer?«
»Closterman.«
»Natürlich mag er ihn«, sagte Martie.
»Nein, ich habe es ihm angemerkt. An seinem Gesichtsausdruck, seinem Tonfall.«
»Was gibt es da nicht zu mögen? Dr. Ahriman ist ein hervorragender Psychiater. Er ist sehr um das Wohl seiner Patienten besorgt.«
Quak, quak, quak, machte die Plüschente.
»Ja, ja, ich weiß. Sieh dir nur einmal an, wie viel besser es dir schon nach einer einzigen Sitzung geht. Und wie er dir gut getan hat.«
Valet, der mit flatternden Ohren und tapsigen Pfoten in der Küche herumtollte, ließ mit der Ente im Maul mehr Gequake hören als eine ganze Herde Federvieh.
»Hör auf, Valet«, sagte Martie scharf und wandte sich dann wieder Dusty zu. »Vielleicht ist Dr. Closterman … vielleicht ist es Neid unter Kollegen.«
Dusty schlug das Buch auf und fing an, darin zu blättern. »Neid? Closterman ist doch kein Psychiater. Er und Dr. Ahriman arbeiten in unterschiedlichen Fachrichtungen.«
Gehorsam wie immer, hatte Valet aufgehört herumzutoben, kaute aber weiterhin so frenetisch auf dem Plüschtier herum, dass es Dusty allmählich vorkam, als würden sich in seiner Küche Daffy und Donald Duck ein Schnatterduell liefern.
Dass Closterman ihnen unaufgefordert dieses Geschenk aufgedrängt hatte, ärgerte Dusty etwas. Angesichts der unausgesprochenen, aber dennoch nicht zu übersehenden Abneigung, die der Internist bei der Erwähnung Dr. Ahrimans gezeigt hatte, war klar, dass seine Absichten weder freundschaftlich noch wohlwollend waren. Sein Verhalten erschien Dusty reichlich kleinkariert.
Auf Seite sieben stieß Dusty auf ein kurzes Motto, das der Verfasser dem ersten Kapitel vorangestellt hatte. Es war ein Haiku.
Dieses Trugbild
aus Blütenregen verliert sich in Mond und Blumen … – Okyo, 1890
»Was ist los?«, fragte Martie.
Eine eigenartig klagende Musik, die ihn an die elektronischen Klänge aus einem frühen Boris-Karloff-Film erinnerte, waberte durch seinen Kopf.
»Dusty?«
»Merkwürdiger Zufall«, sagte er und zeigte ihr das Haiku. Während sie die drei Zeilen las, neigte Martie den Kopf zur
Seite, als könnte auch sie eine Musik hören, mit dem das Gedicht unterlegt war.
»Wirklich seltsam«, sagte sie.
Der Hund produzierte wieder seine Quakgeräusche.
*
Als sie die Treppe hinaufstiegen, wurden Marties Schritte immer langsamer.
Weil Dusty wusste, wie sehr sie den Augenblick fürchtete, in dem sie Susans Stimme auf dem Anrufbeantworter hören würde, hatte er sich erboten, das Band allein abzuhören, um ihr dann zu erzählen, was darauf war; aber das hätte sie als unverzeihliche Feigheit empfunden.
Der hufeisenförmige Schreibtisch in ihrem Arbeitszimmer in der ersten Etage bot den Platz, den sie brauchte, um die Hobbits aus
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