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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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und betrat den Aufzug.
    »Sie können sich auf mich verlassen, Sir.«
    Wenn die Nacht nicht so kühl gewesen wäre, überlegte der Arzt bedauernd, während er in den ersten Stock hinauffuhr, hätte er mit locker über die Schulter gehängtem Jackett und aufgekrempelten Hemdsärmeln in die Klinik marschieren und so das gewünschte Bild erzeugen können, ohne lange Dialoge führen zu müssen.
    Ahriman war sicher, dass er nicht nur im eigenen Land berühmt, sondern sogar ein internationaler Star geworden wäre, wenn er den Beruf des Schauspielers gewählt hätte. Er wäre mit Preisen überschüttet worden. Anfangs wäre vielleicht noch von Vetternwirtschaft gemunkelt worden, aber früher oder später hätte sein Talent alle Unkenrufe verstummen lassen.
    Als einer, der in den illustren Kreisen Hollywoods und den dortigen Produktionsstudios groß geworden war, machte sich Ahriman jedoch keine romantischen Vorstellungen mehr vom Filmgeschäft; darin glich er vielleicht dem Sohn eines Diktators in irgendeinem unterentwickelten Land, der selbst das prächtigste Spektakel in gut ausgerüsteten Folterkammern und bei Massenhinrichtungen nur noch gelangweilt und unwillig mit ansah.
    Abgesehen davon, brachte es der Filmruhm – und der Verlust der Privatsphäre, der damit einherging – mit sich, dass man seine sadistischen Neigungen nur noch an Filmcrews, teuren Callgirls, die den perverseren Vertretern der Branche zu Diensten waren, und den jungen Nachwuchsschauspielerinnen, die dumm genug waren, sich benutzen zu lassen, ausleben konnte. Eine so leichte Beute hätte den Arzt niemals zufriedengestellt.
    Ding. Der Aufzug hatte die erste Etage erreicht.
    * 
    Auch als sie vorsichtig aus dem hinteren Treppenhaus in den Flur des ersten Stockwerks traten, blieb ihnen das Glück treu. In der Schwesternstation, etwa dreißig Schritte vor ihnen, wo sich die beiden hell erleuchteten Hauptkorridore kreuzten, waren zwei Frauen zu sehen, aber keine der beiden blickte in ihre Richtung. So gelangten Dusty und Martie unbemerkt zu Skeets nahe gelegenem Zimmer.
    Die einzige Lichtquelle im Raum war der Fernseher. Eine wilde Actionszene mit Raubüberfall, Polizeieinsatz und allem Drum und Dran flimmerte über den Bildschirm und warf fahle, gespenstisch zuckende Schatten auf die Wände.
    Skeet saß mit einem Kissenberg im Rücken wie ein Pascha im Bett und schlürfte mit einem Strohhalm ein Vanillegetränk der Marke Yoo-hoo. Als er seine Besucher bemerkte, blies er wie in ein Signalhorn gurgelnd in den Strohhalm und begrüßte sie freudestrahlend.
    Während Martie an Skeets Bett trat, um ihn zu umarmen und ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken, begrüßte Dusty frohgelaunt Jasmine Hernandez, die den bei selbstmordgefährdeten Patienten üblichen Nachtdienst versah, und öffnete dann den kleinen Wandschrank.
    Als Dusty sich mit Skeets Reisetasche in der Hand wieder umdrehte, hatte sich Schwester Hernandez inzwischen aus dem Sessel erhoben und warf einen prüfenden Blick auf das Leuchtzifferblatt ihrer Armbanduhr. »Es ist nicht mehr Besuchszeit.«
    »Ja, ich weiß«, sagte Dusty, »aber das hier ist auch kein Besuch.«
    »Es ist ein Notfall«, sagte Martie, während sie Skeet drängte, sein Getränk wegzustellen und sich auf die Bettkante zu setzen.
    »Krankheitsfall in der Familie«, fügte Dusty erklärend hinzu.
    »Wer ist denn krank geworden?«, fragte Skeet.
    »Mutter«, sagte Dusty zu ihm.
    »Wessen Mutter?«, fragte Skeet, der offensichtlich nicht glauben konnte, was er da hörte.
    Claudette krank? Claudette, die ihm Holden Caulfield als Vater und anschließend Dr. Derek Lampton, »die Echse«, als Stiefvater eingebrockt hatte? Die Frau mit der Schönheit und der kalten Gleichgültigkeit einer Göttin? Diese Buhle der drittklassigen Gelehrten? Diese Muse der Romanschriftsteller, die dem geschriebenen Wort keine Bedeutung abringen konnten, der Westentaschenpsychologen, die für die Menschheit nur Verachtung übrig hatten? Claudette, die kaltschnäuzige Existenzialistin, für die es keine Regeln und Gesetze gab und keine Erklärung der Wirklichkeit, die nicht mit der eigenen Person begann? Wie konnte dieses durch nichts zu erschütternde und allem Anschein nach unsterbliche Wesen in dieser Welt irgendeine Unbill erleiden?
    »Unsere Mutter«, sagte Dusty bekräftigend.
    Skeet hatte seine Socken schon an, und Martie kniete vor dem Bett und bemühte sich, seine Füße in die Turnschuhe zu bekommen.
    »Martie«, sagte Skeet, »ich bin noch im

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