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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Zedernspänen. Abgesehen von den gepolsterten Sesseln und Sofas stammte der größte Teil des Mobiliars, Tische, Stühle und Schränke, aus den späten dreißiger Jahren und erinnerte an die funktionalen Stücke aus den Arts-and-Crafts-Werkstätten Gustav Stickleys. Überall lagen schöne Navajo-Webteppiche … nur nicht in dem Zimmer, in dem sich die Tragödie abgespielt hatte.
    Hier brannte kein Feuer. Bis auf ein einziges Möbelstück war alles ausgeräumt und verkauft worden. Der Fußboden war kahl.
    Fahlgraues Licht fiel durch die vorhanglosen Fenster, und die Wände strahlten eine ungemütliche Kälte ab. Gelegentlich glaubte Martie aus den Augenwinkeln zu sehen, wie sich graue Schatten verformten, als würde eine fast durchsichtige Gestalt lautlos durch den Raum gehen, aber wenn sie direkt in die Richtung blickte, war dort nichts; das Licht war kalt und schattenlos. Und doch war es nicht schwer, sich an diesem Ort Geister und Gespenster vorzustellen.
    In der Zimmermitte stand ein einfacher, ungepolsterter Holzstuhl mit einer Rückenlehne aus dünnen Stäben. Vielleicht war die Wahl gerade deshalb auf ihn gefallen, weil er so unbequem war, wie ein Stuhl nur sein konnte. Manche Mönche glauben, dass bequemes Sitzen ihre Fähigkeit zur meditativen Versenkung beeinträchtigt.
    »Ein paar Mal in der Woche sitze ich hier«, sagte Bernardo Pastore, »gewöhnlich für zehn bis fünfzehn Minuten … aber manchmal auch stundenlang.«
    Seine Stimme war belegt und seine Aussprache ein wenig undeutlich. Die Worte waren wie Murmeln in seinem Mund, aber er legte sie sich geduldig zurecht, bis er bereit war, sie über die Lippen zu bringen.
    Dusty hielt das Aufnahmegerät mit dem integrierten Mikrofon so, dass er sicher sein konnte, die schwerfälligen Worte des Ranchers verständlich auf dem Band zu haben.
    Bernardo Pastore konnte seine von plastischen Chirurgen rekonstruierte rechte Gesichtshälfte nicht bewegen, die Nerven waren unwiderruflich zerstört. Man hatte seinen rechten Unterkiefer und Teile des Kinns mit Hilfe von Metallplatten, Drähten, Schrauben, Silikon und Knochentransplantaten wieder aufgebaut. Das Ergebnis war leidlich funktional, aber kein Meisterwerk der Ästhetik.
    »Im ersten Jahr«, fuhr Bernardo fort, »habe ich sehr oft auf diesem Stuhl gesessen und zu begreifen versucht, wie so etwas sein konnte, wie es dazu kommen konnte.«
    Als Bernardo Pastore, alarmiert durch die Schüsse, die seinen Sohn im Schlaf getötet hatten, in das Zimmer gestürzt war, hatte seine Frau Fiona ihn mit zwei Kugeln aus nächster Nähe getroffen. Die erste hatte die rechte Schulter durchschlagen, die zweite hatte ihm den Kiefer zerfetzt.
    »Nach einer Weile habe ich keinen Sinn mehr darin gesehen, das Ganze begreifen zu wollen. Wenn es keine schwarze Magie war, dann doch etwas, das genauso unbegreiflich ist. Heute sitze ich nur noch hier und denke an sie, sage ihnen, dass ich sie liebe, sage ihr, dass ich ihr keinen Vorwurf mache, dass das, was sie getan hat, für sie ebenso rätselhaft war wie für mich. Denn ich glaube, dass das die Wahrheit ist. Es muss die Wahrheit sein.«
    Den Ärzten zufolge war es eigentlich kaum verständlich, dass er überlebt hatte. Das mächtige Geschoss, das seinen Kiefer zertrümmert hatte, war wie durch ein Wunder nach oben und hinten zum Warzenfortsatz des Schläfenbeins abgelenkt worden und dann über dem Jochbogen ausgetreten, ohne die äußere Schlagader an der Schläfe zu verletzen, was lange vor dem Eintreffen des Notarztes zum Tod geführt hätte.
    »Sie hat Dion ebenso sehr geliebt wie ich, und die Anschuldigungen gegen mich, die in ihrem Abschiedsbrief standen, die Dinge, die ich ihr und Dion angeblich angetan habe, waren völlig aus der Luft gegriffen. Aber selbst wenn ich das alles getan hätte, selbst wenn sie Selbstmordabsichten gehabt hätte, hätte sie niemals ein Kind töten können, weder ihr eigenes noch ein fremdes.«
    Von zwei Kugeln getroffen, war Pastore gegen eine hohe Kommode in der Nähe des Fensters getaumelt, das sie in der lauen Sommernacht offen gelassen hatten.
    »Und da stand er, direkt am Fenster, und hat mit einem entsetzlichen Ausdruck zu uns hereingesehen. Gegrinst hat er, und sein Gesicht war schweißnass vor Erregung. Seine Augen haben geglänzt.«
    »Sie sprechen von Ahriman«, sagte Dusty, um diesen Punkt auf dem Band klar zu machen.
    »Dr. Mark Ahriman, genau«, sagte Pastore. »Stand da, als hätte er gewusst, was passieren würde, als hätte er eine

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