Stimmen der Angst
Beistelltische, auf denen in ordentlich gefächerten Stapeln der Architectural Digest und Vanity Fair ausgelegt waren. Die Farbe der Wände war auf den Honigton des Holzgeflechts abgestimmt.
Die einzigen Gemälde an den Wänden waren zwei Art-décoBilder, nächtliche Stadtlandschaften, die an die frühen Arbeiten von Georgia O’Keeffe erinnerten.
Die stilvolle Einrichtung strahlte im Übrigen eine heitere Ruhe aus. Wie immer war Susan sichtlich erleichtert, sobald sie die Schwelle dieses Raums überschritten hatte. Zum ersten Mal, seit sie ihre Wohnung verlassen hatte, musste sie nicht mehr bei Martie Halt suchen. Ihre Körperhaltung wirkte jetzt selbstbewusster. Sie hob den Kopf, schob die Kapuze zurück und atmete in langen, tiefen Zügen, als wäre sie gerade aus der Tiefe eines kalten Sees an die Wasseroberfläche aufgetaucht.
Merkwürdigerweise spürte auch Martie eine gewisse Erleichterung. Die an- und abschwellende Angst, die aus keiner erkennbaren Quelle gespeist wurde, flaute ab, als sie die Tür des Wartezimmers hinter sich zumachte.
Hinter der Scheibe zum Empfang war Jennifer, Dr. Ahrimans Sprechstundenhilfe, zu sehen. Sie saß an ihrem Schreibtisch, hielt den Telefonhörer ans Ohr und winkte ihnen zu.
Eine Tür wurde geräuschlos geöffnet. Als wäre er telepathisch über die Ankunft seiner Patientin informiert worden, trat Dr. Ahriman aus dem gleichermaßen elegant ausgestatteten Zimmer, in dem die Therapiesitzungen stattfanden. Untadelig in einen dunkelgrauen Vestimenta-Anzug gekleidet, nicht minder durchgestylt als das Interieur seiner Praxisräume, bewegte er sich mit der lockeren Geschmeidigkeit eines Profisportiers.
In den Vierzigern, groß und sonnengebräunt, sah er mit seinem graumelierten Haar so gut aus wie auf den Fotos, die auf der Rückseite seiner viel gelesenen Psychologie-Bücher prangten. Obwohl der Blick seiner haselnussbraunen Augen sehr direkt war, wirkte er weder aufdringlich noch herausfordernd oder abweisend, sondern warm und beruhigend. Dr. Ahriman ähnelte Marties Vater nicht im Geringsten; aber genau wie dieser strahlte sein ganzes Wesen Herzlichkeit, aufrichtiges Interesse an den Menschen und eine ungezwungene Selbstsicherheit aus. In ihren Augen hatte er etwas Väterliches an sich.
Er vermied es, Susan auf ihre Ängste anzusprechen und sie im Ton professioneller Besorgnis danach zu fragen, wie sie den Weg zu seiner Praxis bewältigt hatte. Stattdessen sprach er so mitreißend über die Schönheit des Sturms, als wäre der trübe, verregnete Vormittag so lichtdurchflutet wie ein Gemälde von Renoir. So, wie er das Vergnügen eines Spaziergangs im Regen schilderte, hätte man meinen können, die unwirtliche Kälte eines Regentags sei so beschwichtigend für das Gemüt wie ein Sonnenbad am Strand.
Als Susan ihren Regenmantel auszog und ihn Martie in die Hand drückte, lächelte sie bereits. Der ängstliche Ausdruck war aus ihrem Gesicht verschwunden, nur in den Augen war noch eine Spur davon zu erkennen. Den Weg vom Warteraum zum Sprechzimmer legte sie nicht gebeugt wie eine alte Frau zurück, sondern beschwingt wie ein junges Mädchen. Der Panoramablick auf die Küstenlandschaft, der sich hier aus dem vierzehnten Stockwerk bot, schien sie nicht weiter zu beunruhigen.
Wie immer staunte Martie über die beruhigende Wirkung, die Dr. Ahrimans Gegenwart unweigerlich auf Susan ausübte, und sie überlegte ernsthaft, ob sie ihn überhaupt auf ihre Sorgen ansprechen sollte. Doch dann entschloss sie sich, ihn, bevor er Susan in das Sprechzimmer folgte, um ein kurzes Gespräch zu bitten.
An Susan gewandt, sagte er: »Ich bin gleich bei Ihnen«, dann schloss er die Tür hinter ihr.
Martie und Dr. Ahriman entfernten sich ein Stück von der Tür. In der Mitte des Wartezimmers blieben sie stehen, und Martie sagte mit gedämpfter Stimme: »Ich mache mir Sorgen um sie, Doktor.«
Sein Lächeln wirkte so tröstlich wie eine heiße Tasse Tee mit Zuckergebäck und ein Lehnsessel am Kamin. »Sie macht sich gut, Mrs. Rhodes. Ich bin sehr zufrieden mit ihr.«
»Gibt es kein Medikament, das Sie ihr verschreiben könnten? Ich habe gelesen, dass angstlösende Mittel heute …«
»In ihrem Fall wären Psychopharmaka ein schwerer Fehler. Medikamente sind nicht immer die richtige Lösung. Glauben Sie mir, wenn solche ihr helfen könnten, hätte ich im Handumdrehen das Rezept ausgestellt.«
»Aber es geht jetzt schon seit sechzehn Monaten so mit ihr.«
Er legte den Kopf schief und sah sie
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