Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
die Wahl gelassen hatten, zu töten oder getötet zu werden, wog die Last der Schuld, die sie auf sich geladen hatte, schwer und sie fühlte sich plötzlich unendlich klein. Sie hatte eine gewisse Unschuld verloren, die sie nie wieder erlangen würde.
    Und doch empfand sie zugleich mit dem Schuldgefühl auch Genugtuung, eine kalte, deutlich spürbare Befriedigung, weil sie ihre Sache bis jetzt so gut gemacht hatte, dass ihre und Dustys Überlebenschancen gestiegen waren, und weil es ihr gelungen war, die selbstgefällig zur Schau getragene Überlegenheit der Killer mit einem Schlag zunichte zu machen. Sie war erfüllt von einem erhebenden Gefühl der Rechtschaffenheit, das sie zugleich ermutigend und beängstigend fand.
    Zurück zum Auto, geduckt zur Fahrertür, wo sie sich vorsichtig so weit aufrichtete, dass sie durchs Fenster ins Wageninnere spähen konnte. Die Beifahrertür offen. Kevin verschwunden. Blut auf dem Sitz.
    Sie duckte sich wieder unter das Fenster und ließ sich das, was sie gesehen hatte, durch den Kopf gehen. Mindestens eine der vier Kugeln, die sie durch den Sitz abgefeuert hatte, musste getroffen haben. Auch wenn es nicht viele Blutspuren waren, bedeutete allein schon die Tatsache ihres Vorhandenseins, dass Kevin verletzt und damit beeinträchtigt war.
    Der Schlüssel steckte im Zündschloss. Den Motor abstellen, den Kofferraum auf schließen, Dusty befreien? Dann wären sie zwei gegen einen.
    Nein. Vielleicht wartete Kevin nur darauf, dass sie die Schlüssel holte, vielleicht befand er sich irgendwo, von wo aus er durch die offen stehende Beifahrertür freie Sicht ins Wageninnere hatte. Selbst wenn sie die Wagenschlüssel an sich bringen konnte, ohne erschossen zu werden, würde sie, während sie hinter dem Wagen stand, den Kofferraum aufschloss und die Klappe hochhob, ein leichtes Ziel abgeben.
    Obwohl ihr die bloße Vorstellung einen Schauder über den Rücken jagte, hielt sie es für das Sicherste, sich über die freie Fläche zu den südlich gelegenen Ruinen zurückzuziehen. Sich im Schutz der verfallenen Gebäude und der Pappeln im Bogen ostwärts und dann nordwärts zu schlagen. Sich auf die andere Seite des Wagens zu begeben, von wo aus Kevin verschwunden war. Wenn sie einen ausreichend großen Bogen beschrieb, schaffte sie es vielleicht, hinter den Punkt im Norden zu gelangen, von dem er möglicherweise den BMW im Auge hatte.
    Aber vielleicht war er gar nicht so angeschlagen, dass er den Wagen von einem festen Punkt aus beobachtete. Vielleicht war er auf denselben Gedanken gekommen wie sie und war jetzt auf der Pirsch, nur in umgekehrter Richtung. Huschte auf der Suche nach ihr im Schatten der verlassenen Häuser und der Bäume im Halbkreis nach Osten, dann nach Süden.
    Wenn sie sich in diesem Labyrinth aus Adobemauern und Pappeln anschleichen musste, während er ebenfalls auf der Suche nach ihr das Gelände durchstreifte, standen ihre Chancen, lebend herauszukommen, alles andere als gut. Sie konnte das Überraschungsmoment nicht mehr als Vorteil für sich verbuchen. Und auch wenn er verwundet war, war er doch der Profi, der Übung in solchen Dingen hatte, und sie war die Amateurin. Das Glück war selten auf der Seite der Amateure.
    Das Glück war auch nicht auf der Seite der Zauderer. Sie musste handeln.
    Handeln lautete mit Sicherheit auch die Devise, die Kevin in seiner militärischen oder paramilitärischen Ausbildung eingebläut worden war und die ihn wahrscheinlich auch eigene schmerzliche Erfahrungen gelehrt hatten. Mit einem Mal wusste sie, dass er in Bewegung war, und garantiert erwartete er von einer Videospieleerfinderin und Ehefrau eines Malermeisters alles, nur nicht, dass sie ihm tollkühn auf dem direktesten Weg folgte.
    Vielleicht stimmte ihre Theorie, vielleicht auch nicht. Jedenfalls redete sie sich ein, dass es besser sei, sich weder im Bogen von hinten anzuschleichen noch auf der Lauer zu liegen, bis er wieder auftauchte, sondern ihn auf den Spuren zu verfolgen, die er zwangsläufig im frischen Schnee hinterlassen haben musste.
    Es war ihr zu gefährlich, mitten durch die Lichtkegel der Scheinwerfer hindurchzulaufen. Ebenso gut hätte sie sich selbst erschießen und ihm auf diese Weise die Munition sparen können.
    Also schob sie sich in geduckter Haltung rückwärts am Wagen entlang, weg vom Scheinwerferlicht. An der seitlichen Kante der hinteren Stoßstange hielt sie kurz an, dann bewegte sie sich weiter, bis sie sich hinter dem BMW befand.
    Die Schlussleuchten

Weitere Kostenlose Bücher