Stimmen der Angst
mordgieriger Roboter mehr sein, wenn er aus der Bewusstlosigkeit erwachte. Andernfalls konnten sie ihn so lange gefesselt lassen, bis sie das ganze Haiku-Regal leer gekauft, fünfzig Liter starken Kaffee aufgebrüht und ihm sämtliche Verse vorgelesen hatten, bis er reagierte.
Als Dusty den Aktenschrank beiseite schob, sagte Martie: »Bitte, Liebling, tu das nicht«, und im selben Moment flammte auch schon wieder das mordlüsterne Glitzern in Erics Augen auf.
»Ed Mavole.«
»Ich höre.«
Dusty ging rasch die Treppe hinunter. Obwohl Eric ihm direkt entgegenblickte, schien er sich keinen Reim darauf machen zu können, was gleich geschehen würde. Dusty ging kein Risiko ein; bevor er ein Drittel der Strecke hinter sich gebracht hatte, rief er: »Ed Mavole«, und Eric Jagger antwortete brav: »Ich höre.« Auf dem letzten Drittel der Treppe sagte er noch einmal: »Ed Mavole«, und als er bei Eric angelangt war, antwortete dieser mit seiner ausdruckslosen Stimme: »Ich höre.« Die Mündung der Pistole, die genau auf sein Gesicht zeigte, schien Dusty so groß wie eine Tunneleinfahrt zu sein. Er packte den Lauf mit einer Hand, drehte ihn von seinem Gesicht weg, zog die Pistole aus Erics kraftlosen Händen und rammte dem benommenen Mann die Schulter in die Seite, sodass dieser zu Boden stürzte.
Fast gleichzeitig ging Dusty zu Boden, rollte über Glas- und Holzsplitter, die von der zertrümmerten Eingangstür stammten, und hoffte dabei inständig, dass er nicht versehentlich an den Abzug geraten würde. Er landete an dem halbrunden Tisch, der an der Dielenwand stand, und prallte mit der Stirn gegen die massive Querverstrebung, die die drei Tischbeine miteinander verband, glücklicherweise ohne sich selbst in den Oberschenkel, in die Weichteile oder sonst wohin zu schießen.
Als er sich aufraffte, sah er, dass Eric schon wieder auf den Füßen war. Der Kerl sah benommen, aber wütend aus, und er war immer noch der programmierte Killer.
Martie, die gerade die Treppe heruntergerannt kam, hatte schon »Ed Mavole« gerufen, bevor Dusty dazu kam, ein Wort zu sagen, und plötzlich kam ihm das Ganze wie das ödeste Videospiel vor, das Martie sich je ausgedacht hatte: Anstreicher gegen Anlageberater , der eine bewaffnet mit einer Automatikpistole, der andere mit Möbelstücken und Zaubernamen.
Die Vorstellung hätte in diesem Moment komisch sein können, wäre sein Blick nicht an Martie vorbei zum oberen Treppenabsatz gewandert, wo Junior mit einer geladenen und gespannten Armbrust stand.
»Nein!«, brüllte Dusty.
Zisssch.
Der Pfeil einer Armbrust, kürzer und dicker als ein normaler Pfeil, fliegt so schnell, dass er schwerer zu sehen ist als einer, der mit einem üblichen Bogen abgeschossen wird. Wie durch Magie schien er aus Eric Jaggers Brust herauszufahren, aus dem Herzen gezaubert wie ein Kaninchen aus dem Hut: Bis auf die letzten fünf Zentimeter ragte der gesamte kerbenlose Schaft aus einer kleinen Blutlache hervor.
Eric ging in die Knie. Der mörderische Blick wich ihm aus den Augen, und er sah sich verwundert in der Eingangsdiele um, die ihm offensichtlich völlig fremd war. Dann sah er blinzelnd zu Dusty auf und kippte mit verständnislosem Ausdruck tot nach vorn.
Als Martie Anstalten machte, Dusty auf der Treppe aufzuhalten, schüttelte er ihre Hand ab und stürmte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, hinauf. Hinter seiner Stirn, an der Stelle, wo er auf dem Querholm des Tischs aufgeprallt war, pulsierte es, und sein Blick war verschwommen, wenn auch nicht von dem Schlag gegen den Kopf, er war verschwommen, weil eine Flut sämtlicher chemischer Verbindungen, die das Gehirn produzieren konnte, um Wut zu erzeugen und diese aufrechtzuerhalten, seinen Körper überschwemmte, weil sein Herz ebenso viel nackte Wut wie Blut in die Adern pumpte, und er sah diesen Jungen mit dem engelsgleichen Gesicht plötzlich durch eine dunkle Linse und rote Schleier, als würden seine Augen in Tränen aus Blut schwimmen.
Junior hielt die Armbrust wie einen Schild vor sich, um den Angriff abzuwehren. Dusty packte den Lauf so fest in der Mitte, dass sich der Drehknopf der Sicherungsscheibe tief in seine Handfläche bohrte. Er wand dem Jungen die Armbrust aus den Händen und schleuderte sie zu Boden, ohne stehen zu bleiben. Unaufhaltsam trieb er ihn über den Flur, an die Wand, an der die Anrichte gestanden hatte, warf ihn mit solcher Wucht dagegen, dass dessen Kopf mit einem dumpfen Schlag wie ein Tennisball von einem Schläger
Weitere Kostenlose Bücher