Stimmen der Angst
herzufallen, zumindest die Gewissheit getröstet, dass Martie den Colt Commander hatte, während sie jetzt mit nichts als einer lächerlichen Kommode dastanden.
Martie fasste Skeet am Arm, der sich zu wehren versuchte, aber sie war stärker als er.
Im Erdgeschoss zerbarst die Buntglasscheibe der Eingangstür in einem prasselnden Kugelhagel, Holz splitterte, und Putzstücke wurden aus den Wänden der Eingangshalle gerissen.
Dusty duckte sich hinter die Anrichte und spähte vorsichtig die hohe Treppe hinunter.
Der Anlageberater brach durch die gesplitterte Tür und stürmte ins Haus, als würde man beim Betriebswirtschaftsstudium in Harvard neuerdings auch den Umgang mit schwerem Geschütz lernen. Er legte die Knochensäge auf den Dielentisch, nahm die Pistole in beide Hände und feuerte in einem halbkreisförmigen Bogen sein Magazin in sämtliche Räume im Erdgeschoss ab.
Es schien das vergrößerte Magazin mit dreiunddreißig Schuss zu sein, aber auch dieses war keine unerschöpflich sprudelnde Patronenquelle, sodass die Munition bereits verbraucht war, nachdem Eric den einen Halbkreis zu Ende beschrieben hatte.
In seinem Gürtel steckten mehrere Ersatzmagazine. Er nestelte, offensichtlich in dem Versuch, das leere Magazin herauszunehmen, an der Pistole herum.
Dusty durfte nicht zulassen, dass Eric zuerst die Räume im Erdgeschoss absuchte, denn wenn dieser in die Küche kam, sah er womöglich, wie die Hausbewohner vom Verandadach sprangen oder durch den Garten zum Strand flüchteten.
Es schienen immer noch Schüsse durch das Haus zu hallen, aber Dusty war sich bewusst, dass er nur das Nachdröhnen in seinen Ohren hörte, also rief er mit lauter Stimme: »Ben Marco!«
Eric blickte die Treppe hoch, aber er erstarrte weder, noch nahmen seine Augen den verräterischen glasigen Ausdruck an. Gleich darauf beschäftigte er sich wieder mit der Pistole, die ihm sichtlich nicht vertraut war.
»Bobby Lembeck!«, rief Dusty.
Das leere Magazin fiel klappernd zu Boden.
Vielleicht stammte der Schlüsselname in diesem Fall gar nicht aus Botschafter der Angst . Es konnte ebenso gut ein Name aus Der Pate oder Rosemarys Baby oder gar aus Pu der Bär sein, aber Dusty fehlte einfach die Zeit, sämtliche Werke der Unterhaltungsliteratur der letzten fünfzig Jahre durchzugehen, um auf den richtigen Namen zu stoßen. »Johnny Iselin!«
Nachdem Eric das Magazin in die Pistole geschoben hatte, schlug er mit der flachen Hand dagegen, sodass es hörbar einrastete.
»Wen Chang!«
Eric feuerte eine Salve von acht, zehn Schüssen ab, die das massive Kirschholz der Anrichte durchschlugen – pock, pock, pock , zu viele Pocks , als dass Dusty mit dem Zählen nachkam –, durch die Schubladen splitterten, durch den Boden krachten, über Dustys Kopf hinwegpfiffen, ihn mit einem Splitterregen übergossen und hinter ihm in der Wand des Flurs einschlugen. Geschosse mit hoher Beschleunigung, ummantelt mit etwas, was härter war, als er es sich ausmalen wollte, vielleicht mit Teflonspitzen.
»Jocelyn Jordan!«, rief Dusty in die nervenaufreibende Stille hinein, die nach der Erschütterung der Feuersalve in seinem Schädel pulsierte. Er hatte einen guten Teil des Romans gründlich gelesen und den Rest überflogen, um sich die Namen einzuprägen und besonders den einen zu suchen, der sein Schlüsselwort war. Er erinnerte sich an jeden einzelnen. Sein eidetisches Gedächtnis war die eine Gabe, die ihm in die Wiege gelegt worden war, dies und der gesunde Menschenverstand, der ihn veranlasst hatte, Anstreicher zu werden, statt ein treibendes Rad in der Welt der großen Ideen; aber in Condons Roman wimmelte es von Charakteren, Haupt- und Nebenfiguren – manche von ihnen so unbedeutend wie Viola Narvilly, die auf Seite 300 ihren ersten Auftritt hatte –, und ihm blieb möglicherweise keine Zeit, das gesamte Personal herunterzubeten, bevor Eric ihm eine Kugel in den Kopf jagte. »Alan Melvin!«
Eric kam, ohne zu schießen, die Treppe herauf.
Dusty hörte, wie die Schritte näher kamen.
Eric nahm die Treppe zügig, ohne auf die Sheraton-Anrichte zu achten, die drohend wie ein Damoklesschwert über ihm schwebte. Stufe um Stufe, wie ein Roboter. Und nichts anderes war er ja im Grunde auch: ein lebender Roboter, eine Maschine aus Fleisch und Blut.
»Ellie Iselin!«, rief Dusty, und während er halb wahnsinnig vor Angst war, schoss ihm gleichzeitig der Gedanke durch den Kopf, wie lachhaft ein solcher Abgang war: von einer Salve ins Jenseits
Weitere Kostenlose Bücher