Stimmen der Angst
stieg aus dem Lexus und vergaß nicht, den Schlüssel mitzunehmen. Wenn er ihn stecken ließ, kam vielleicht jemand auf die Idee, den Wagen zu stehlen, und er wurde unversehens zum Komplizen eines großangelegten Autodiebstahls. Er wollte nicht, dass die Leute, wenn sein Name in allen Zeitungen stand und im Fernsehen über seine Verhaftung berichtet wurde, ihn für einen Autodieb hielten. Er hatte noch nie auch nur einen Penny gestohlen.
Der Himmel war blau. Es war ein milder, windstiller Tag, und er war dankbar dafür, denn er hatte das Gefühl, eine steife Brise hätte ihn davongeweht.
Er ging vor dem Wagen auf und ab, blickte an sich hinunter, legte den Kopf erst zur einen, dann zur anderen Seite schief, um zu sehen, ob sich die Pistole aus irgendeinem Blickwinkel unter dem Pullover abzeichnete. Die Waffe war völlig unsichtbar.
Gerade als er sich in Bewegung setzen und zur Tat schreiten wollte, kamen ihm wieder die Tränen. Also marschierte er weiter vor dem Auto auf und ab und wischte sich mit dem Pulloverärmel über die Augen. In der Eingangshalle war höchstwahrscheinlich ein Wachmann postiert. Ein ausgemergelter, haltlos schluchzender Kerl mit aschfahlem Gesicht und Kleidern, die ihm zwei Nummern zu groß waren, würde möglicherweise dessen Verdacht erregen.
Eine Reihe vor dem Lexus, ein paar Meter weiter nördlich, stieg eine Frau aus einem Rolls-Royce, blieb neben der Fahrertür stehen und starrte ihn aufdringlich an. Er konnte, da seine Tränen mittlerweile versiegt waren, erkennen, dass sie eine nett aussehende blonde Dame war, sehr gepflegt, in einem rosafarbenen Strickkostüm, offensichtlich eine erfolgreiche Frau und ordentliche Bürgerin. Sie schien ihm nicht der Typ Frau zu sein, die so unhöflich war, einen gänzlich fremden Menschen anzustarren, also musste er wohl so verdächtig wirken, als würde er gut sichtbar ein Sturmgewehr und mehrere Munitionsgürtel mit sich herumtragen.
Wenn diese nette Dame in Rosa schon bei seinem Anblick erschrak, würde der Wachmann vermutlich die chemische Keule zücken, ihm Tränengas ins Gesicht sprühen, ihn mit einem Elektroschocker außer Gefecht setzen und ihm dann noch den Gummiknüppel über den Schädel ziehen, sobald er einen Fuß in die Eingangshalle setzte. Er würde wieder alles vermasseln.
Der Gedanke, Dusty und Martie, die beiden einzigen Menschen, die ihn je wirklich geliebt hatten, zu enttäuschen, war ihm unerträglich. Wenn er es nicht schaffte, das hier für sie zu tun, konnte er die Pistole ebenso gut unter dem Pullover hervorholen und sich selbst eine Kugel in den Kopf schießen.
Selbstmord war für Skeet ebenso unvorstellbar wie Diebstahl. Abgesehen von seinem Sprung vom Dach der Sorensons am Dienstag dieser Woche natürlich. Aber wenn er es richtig verstanden hatte, war er möglicherweise nicht von selbst auf die Idee gekommen.
Unter den neugierigen Blicken der Dame in Rosa, krampfhaft bemüht, so zu tun, als hätte er sie nicht bemerkt und als wäre er so glücklich und zufrieden, dass es ihm gar nicht in den Sinn kommen könnte, mit einer Pistole Amok zu laufen, »What a Wonderful World« vor sich hin pfeifend, weil es das erstbeste Lied war, das ihm einfiel, ging er über den Parkplatz zum Hochhaus und dann durch die Tür, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen.
*
Der Arzt war es nicht gewohnt, dass sein Zeitplan von anderen bestimmt wurde, und sein Ärger darüber, dass ihn die Keanuphobin nicht lieber früher als später anrief, wuchs allmählich. Er zweifelte nicht daran, dass sie auf das Märchen vom teuflischen Computer, das er ihr aufgetischt hatte, reagieren würde; ihre Zwangsvorstellungen ließen keine andere Möglichkeit zu. Offensichtlich besaß die Verrückte aber keinen Funken Anstand und nahm keinerlei Rücksicht darauf, dass die Zeit anderer Leute kostbar war: typisch neureiche Zicke.
Da er sich nicht auf das Schreiben konzentrieren konnte, es ihm aber auch verwehrt war, seine Praxis zu verlassen, um sich am Spiel zu beteiligen, musste er sich notgedrungen damit begnügen, den armseligen Stoff, der ihm zur Verfügung stand, zu einem Haiku zu verarbeiten.
Mein blauer Beutel. Beretta mit sieben Schuss. Schieß ich auf den Scheiß?
Grauenvoll. Siebzehn Silben, das schon, technisch war nichts daran auszusetzen. Aber es zeigte überdeutlich, warum technisches Können nicht die Erklärung für Shakespeares unsterblichen Ruhm war.
Sieben Schuss für dich. Meine Keanuphobin. Du bist tot, tot, tot.
Genauso grauenhaft,
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