Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
etwas nicht.«
    An Dustys Gesichtsausdruck konnte Martie so deutlich wie in einem Spiegel ablesen, wie grotesk – wie wahnsinnig – sie aussehen musste.
    »O Gott.«
    Sie ließ die Brechstange fallen, aber der eiserne Keil des Beils und der Kopf des Vorschlaghammers lagen immer noch in Reichweite auf der Werkbank. Sie konnte sie problemlos nehmen und damit die Windschutzscheibe zertrümmern.
    Der Schlüssel. Das Auge. Hineinstoßen und umdrehen.
    Plötzlich fiel Martie ein, dass sie den Schlüssel nicht in die Mülltonne geworfen hatte. Wieso hatte sie sich zuerst um Messer, Nudelholz, die Gartengeräte und alles andere gekümmert, anstatt ihn sofort nach ihrer Heimkehr wegzuwerfen? Wenn die Vision, die sie erlebt hatte, wirklich eine Vorahnung gewesen war, wenn diese abscheuliche Tat wirklich unausweichlich geschehen würde, war der Schlüssel doch der erste Gegenstand, den sie hätte zertrümmern und zuunterst in der Mülltonne vergraben sollen.
    Auftritt Dusty, und damit weiter zum nächsten Level des Spiels, in dem aus dem gewöhnlichen Schlüssel von Level 1 ein so gewichtiges und magisches Objekt geworden war wie der Eine Ring, der mächtigste aller Ringe der Macht, der nach Mordor zurückgebracht und in dem Feuer vernichtet werden musste, aus dem er gekommen war, der eingeschmolzen werden musste, bevor damit Unheil angerichtet werden konnte. Aber das hier war kein Spiel. Die Schrecken, die sie erlebte, waren echt. Wenn hier Blut floss, würde es klebrig, warm und feucht sein, keine zweidimensionale Anordnung von Pixeln.
    Martie machte auf dem Absatz kehrt und rannte ins Haus.
    Der Wagenschlüssel hing nicht an seinem Platz am Schlüsselbrett.
    Über einer Stuhllehne: ihr Regenmantel. Zwei tiefe Taschen. In der einen ein paar Papiertaschentücher. In der anderen das Taschenbuch.
    Kein Schlüssel.
    In der Garage rief Dusty ihren Namen. Offenbar war er aus dem Lieferwagen ausgestiegen und bahnte sich nun einen Weg durch das Chaos der Trümmer, mit denen der Fußboden übersät war. Jedesmal, wenn er ihren Namen rief, klang seine Stimme lauter, näher.
    Martie flüchtete aus der Küche in den Flur, am Esszimmer und am Wohnzimmer vorbei und durch die Diele zur Haustür und hatte dabei nur den einen Gedanken, so weit wie möglich von Dusty wegzukommen. Was diese wahnsinnige Flucht bewirken sollte, wohin sie eigentlich flüchten, was sie tun wollte, an all das konnte sie in diesem Moment nicht denken. Sie war nur von dem Wunsch besessen, so viel Distanz zwischen sich und ihren Mann zu legen, dass sie ihm kein Leid zufügen konnte.
    Der kleine Perserteppich im Hausflur rutschte ihr auf den polierten Eichendielen unter den Füßen weg, und sie glitt wie eine Trockensurferin durch den Raum, bevor sie das Gleichgewicht verlor und zur rechten Seite wegkippte.
    Als sie mit dem Ellbogen auf dem Eichenboden aufschlug, flog der Schmerz über die Nerven des Unterarms wie ein Wespenschwarm aus und verbreitete sich krabbelnd in ihrer Hand. Auch durch die Rippen summte der Schmerz und bohrte sich dann in ihr Hüftgelenk.
    Der Schmerz, den sie am undeutlichsten spürte, war zugleich der, welcher sie am meisten erschreckte: ein kurzer, harter Druck am rechten Schenkel. Ein Gegenstand in ihrer rechten Jeanstasche hatte sich ihr in die Haut gebohrt. Sie wusste augenblicklich, was es war.
    Der Wagenschlüssel.
    Hier hatte sie den unwiderlegbaren Beweis, dass sie sich selbst nicht über den Weg trauen konnte. An irgendeinem Punkt musste ihr der Gedanke gekommen sein, dass sich der Schlüssel in ihrer Hosentasche befand, nachdem sie ihn weder am Schlüsselbrett noch auf dem Tisch gefunden hatte, nachdem sie hektisch die Taschen des Regenmantels durchsucht hatte. Sie hatte sich selbst getäuscht, und dazu hätte sie keinen Grund gehabt, wenn sie ihn nicht hätte benutzen wollen, um zu blenden, um zu töten. In ihrem Innern lauerte eine »Andere Martie«, das wahnsinnige Ich, vor dem sie sich fürchtete, ein Wesen, das zu allem fähig war und wild entschlossen, die entsetzliche Vorahnung wahr zu machen: der Schlüssel, das Auge, hineinstoßen und umdrehen .
    Mühsam raffte Martie sich auf und stolperte zur verglasten Haustür.
    Im selben Augenblick sprang Valet von außen an der Tür hoch, stützte sich mit den Vorderpfoten auf dem unteren Querholm des Buntglas-Fensters auf und blickte Martie mit aufgestellten Ohren und hängender Zunge erwartungsvoll entgegen. Die vielen kleinen Quadrate, Rechtecke und Kreise aus geschliffenem Glas,

Weitere Kostenlose Bücher