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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Hund!«
    Martie überlegte verzweifelt, wie sie sich des Colts entledigen konnte. Dusty war in Gefahr, solange sich die Schusswaffe im Haus befand. Die ganze Nachbarschaft war in Gefahr, solange sie eine Schusswaffe in die Finger bekommen konnte.
    Sie näherte sich dem Nachttisch.
    Um Gottes willen, lass das Ding in der Schublade!
    Sie zog die Schublade heraus.
    »Martie, Liebling, wo bist du, was ist los?« Er kam die Treppe herauf.
    »Geh weg«, wollte sie schreien, aber es kam nur ein heiseres Krächzen heraus, weil die Angst ihr die Kehle zuschnürte und weil sie außer Atem war – vielleicht aber auch, weil die Mörderin in ihr eigentlich nicht wollte, dass er wegging.
    In der Schublade, zwischen einem Päckchen Papiertaschentüchern und der Fernbedienung für den Fernseher, lag matt glänzend die Pistole, ihr Schicksal in der Gestalt eines meisterlich gearbeiteten Werkstücks aus Metall, ihre finstere Verheißung.
    Wie ein Totenuhrkäfer, der sich mit unermüdlich klopfenden Kiefern tief im massiven Holz sein Labyrinth von Gängen anlegt, fraß sich das Alter Ego in Marties Fleisch, bohrte sich in ihre Knochen und nagte gefräßig am Gewebe ihrer Seele.
    Sie nahm den Colt aus der Schublade. Mit seinem halbautomatischen Mechanismus, dem schwachen Rückstoß, seinem kleinen Kaliber und einem siebenschüssigen Magazin, bei dem eine Ladehemmung nahezu ausgeschlossen war, stellte er auf geringe Distanz die ideale Selbstverteidigungswaffe dar.
    Erst als sie auf etwas Kleines, Hartes trat, während sie sich zur Tür umwandte, merkte Martie, dass ihr der Autoschlüssel aus der Hand gefallen war.

26. Kapitel
    Bei seinem Sturz vom Dach hatte Dusty nicht annähernd so viel Angst empfunden wie jetzt, denn nun galt seine Sorge Martie, nicht seiner eigenen Person.
    In dem Moment, in dem sie die Brechstange hatte fallen lassen, war ihr Gesicht so maskenhaft starr gewesen, als wäre sie die tragische Hauptfigur in einem Kabuki-Schauspiel. Die Haut weiß und glatt, wie mit Tünche übermalt, die Augen schwarz umrändert, aber nicht mit Schminke, sondern vor innerer Qual, der Mund ein blutroter Strich.
    Bleib weg von mir! Komm um Gottes willen nicht in meine Nabe. Mit mir stimmt etwas nicht.
    Über das Geräusch des laufenden Motors hinweg hatte er den warnenden Ton, das Entsetzen in ihrer sich überschlagenden Stimme gehört.
    Der Schrott in der Garage. Das Chaos in der Küche. Die Mülltonne vor der offenen Terrassentür, vollgestopft mit allem Möglichen, nur nicht mit Müll. Er konnte sich keinen Reim darauf machen.
    Im Erdgeschoss war es kalt, weil die Küchentür sperrangelweit offen stand. Er konnte sich aber auch ohne weiteres vorstellen, dass die Kälte von einem eisigen Geist herrührte, der von einem viel unheimlicheren Ort als der Veranda durch eine andere, unsichtbare Tür ins Haus gedrungen war.
    Ihm kam es so vor, als wären die silbernen Kerzenständer, die auf dem Esstisch standen, aus Eis, als wären sie durchsichtig und würden gleichzeitig das Licht reflektieren.
    Im Wohnzimmer verbreiteten winterlich glitzernder Glasschmuck, ein Kaminbesteck aus Messing und Lampen mit Porzellanschirmen eine heimelige Atmosphäre. Die alte Standuhr war Punkt elf Uhr stehen geblieben.
    Sie hatten die Uhr auf ihrer Hochzeitsreise in einem Antiquitätengeschäft entdeckt und zu einem annehmbaren Preis erstanden. Da es ihnen nicht um deren Funktion als Zeitanzeiger ging, hatten sie nie daran gedacht, sie reparieren zu lassen. So wie die Uhr stehen geblieben war, zeigte sie die Stunde an, zu der sie geheiratet hatten, und das empfanden sie stets als ein gutes Omen.
    Nachdem Valet beruhigt war, hatte Dusty beschlossen, den Hund vorerst nicht ins Haus zu lassen. Nun eilte er die Treppe hinauf. Im ersten Stock war es zwar wärmer als unten, aber die Kälte, die ihm beim Anblick von Marties gequältem Gesicht in die Knochen gefahren war, ließ sich nicht abschütteln.
    Er fand sie im Schlafzimmer, wo sie mit der .45er Pistole neben dem Bett stand.
    Sie hatte das Magazin herausgenommen und klaubte mit fliegenden Fingern – wobei sie unaufhörlich vor sich hin murmelte – die Patronen heraus. Ummantelte Geschosse.
    Mit Schwung warf sie die Patrone, die sie zuletzt herausgezogen hatte, quer durchs Zimmer. Die Hülse prallte gegen den Spiegel, ohne diesen zu zerbrechen, rollte dann klappernd über den Schminktisch und blieb zwischen dem dekorativen Arrangement aus Kämmen und Bürsten liegen.
    Zuerst verstand Dusty nicht, was Martie

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