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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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klein geworden, dass man sie, in eine materiale Form gebracht, auch durch ein Vergrößerungsglas, ja selbst unter dem stärksten Mikroskop nicht mehr hätte erkennen können.
    Vergrößerungsglas.
    Susan ließ die Zugschnur der Jalousie fallen und griff eine neue Idee auf, drehte und wendete sie in Gedanken und fand Gefallen daran. Durch ihre Agoraphobie ans Haus gefesselt, konnte sie zwar den lauernden Jäger nicht jagen, aber vielleicht konnte sie ihn beobachten, während er sie beobachtete.
    Im Schlafzimmerschrank, auf dem oberen Bord über dem Hängefach, befand sich ein Kunststofffutteral mit einem starken Fernglas. In besseren Zeiten, als der bloße Anblick der sonnenbeschienenen Welt in ihrer ganzen Weite ihr noch keine Angstschauer über den Rücken jagte, hatte es ihr Spaß gemacht, den häufig in dieser Gegend veranstalteten Küstenregatten zuzusehen oder größere Schiffe zu beobachten, die in Richtung Südamerika oder San Francisco vorüberzogen.
    Sie holte eine zweistufige Klappleiter aus der Küche und eilte ins Schlafzimmer. Das Fernglas befand sich dort, wo sie es vermutet hatte.
    Auf demselben Bord lag, zwischen allerlei Krimskrams, ein Gegenstand, den sie völlig vergessen hatte. Eine Videokamera.
    Die Kamera war eines von Erics kurzlebigen Hobbys gewesen. Schon lange vor seinem Auszug hatte er das Interesse an der Filmerei wieder verloren.
    Ein aufregender Gedanke ließ Susan ihren ursprünglichen Plan, die Dünen nach einem dort lauernden Beobachter abzusuchen, schlagartig vergessen.
    Sie ließ das Fernglas links liegen, nahm stattdessen den Plastikkoffer, in dem die Kamera samt Zubehör aufbewahrt wurde, aus dem Schrank, legte ihn auf das Bett und öffnete ihn.
    Neben dem Camcorder enthielt der Koffer einen Ersatzakku nebst Ladegerät, zwei unbespielte Kassetten und eine Bedienungsanleitung.
    Sie hatte die Kamera noch nie benutzt. Eric war der Einzige, der je Aufnahmen damit gemacht hatte. Jetzt las sie aufmerksam in der Bedienungsanleitung.
    Wenn Eric ein neues Hobby entdeckte, hatte er sich nie mit durchschnittlichen Geräten zufrieden gegeben. Es musste immer das Beste vom Besten, das Neueste auf dem Markt, die modernste Ausrüstung sein. Diese Kamera war handlich und kompakt, hatte aber die schärfste Optik, die man sich denken konnte, eine nahezu perfekte Bild- und Tonwiedergabe und machte derart geringe Laufgeräusche, dass diese nicht über das Mikrophon übertragen wurden.
    Die Aufnahmekapazität umfasste nicht nur zwanzig oder dreißig Minuten, sondern man konnte Bänder mit einer Laufzeit von zwei Stunden in die Kamera einlegen. Sie verfügte außerdem über einen zusätzlichen Aufnahmemodus, in dem pro Filmminute weniger Band verbraucht wurde, sodass man mit einem Zwei-Stunden-Band drei Stunden aufnehmen konnte, wenn auch die Bildqualität angeblich um zehn Prozent schlechter war als bei einer Aufnahme mit Normalgeschwindigkeit.
    Die Kamera verbrauchte so wenig Energie und der wiederaufladbare Akku war so stark, dass ein Dauerbetrieb von drei Stunden möglich war, sofern man den Bildmonitor und andere energiefressende Funktionen nicht benutzte.
    Dem eingebauten Messgerät zufolge war der Akku, der sich in der Kamera befand, leer. Susan testete den Ersatzakku. Er zeigte noch eine Restladung.
    Da sie nicht wusste, ob der leere Akku noch brauchbar war, verband sie den anderen mit dem Kabel des Ladegeräts und schloss dieses dann an eine Steckdose im Badezimmer an.
    Der Merlot stand auf einem der Beistelltische im Wohnzimmer. Sie erhob das Glas zu einem stummen Toast, und diesmal trank sie nicht, um ihre Seele zu trösten, sondern weil es etwas zu feiern gab.
    Zum ersten Mal seit Monaten hatte sie das Gefühl, wirklich selbst über ihr Leben zu bestimmen. Auch das Wissen, dass dies ein kleiner Schritt war, der nur eines ihrer zahlreichen belastenden Probleme lösen würde, und dass sie weit davon entfernt war, ihr Leben wahrhaftig im Griff zu haben, konnte ihre Begeisterung nicht dämpfen. Immerhin tat sie endlich etwas, und sie hatte die kleine Aufmunterung, die dieser Anfall von Optimismus mit sich brachte, dringend nötig.
    Während sie in der Küche die Zutaten für das Huhn in Marsala wegräumte und eine Peperonipizza aus dem Gefrierfach nahm, fragte sie sich, warum ihr die Idee mit der Videokamera nicht schon vor Wochen oder gar Monaten gekommen war. Ihr wurde allmählich klar, dass sie sich im Gegenteil angesichts der Schrecken, die sie erlebt hatte, erstaunlich passiv verhalten

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