Stirb für mich: Thriller
amüsiert.
»Ich habe verloren«, sagte Mistry. »Ich habe mich rettungslos in sie verliebt.«
Boxer blickte ihn in dem dunklen Wagen von der Seite an. Das Licht der Laternen fiel in gelben Streifen auf sein Gesicht; seine schwarzen Pupillen sahen nichts, sondern waren voll von der konzentrierten Verzweiflung eines Mannes, der alles verloren hatte.
»Bei einem Vortrag von ihr vor den Verkaufs- und Marketing-Teams sind Alyshia und ich uns wieder begegnet. Diesmal war es anders. Die Zurückhaltung war verschwunden. Sie schien plötzlich etwas von mir zu wollen. Ich musste keine Distanz mehr wahren, und so fing es an. Sie hat mir auf Anhieb vertraut – und ich ihr. Wir haben angefangen, uns Dinge zu erzählen, die wir sonst niemandem erzählt haben.«
»Hat sie Ihnen erzählt, was in Mumbai passiert war?«, fragte Boxer. »Irgendetwas ist passiert, worüber sie nicht mal mit Isabel sprechen wollte.«
»O ja. Deshalb war sie ja mit einem Mal so verletzlich«, sagte Mistry. »Sie war eines Nachts zu dem Haus am Strand gekommen, als es verriegelt war. Der Torwächter war besonders zögerlich gewesen, sie dort übernachten zu lassen, aber irgendwann hatte er nachgegeben. Ein sehr wichtiger Kunde von Frank verbrachte die Nacht allein im Haus.«
»Amir Jat?«
»Sie war fasziniert«, sagte Mistry nickend. »Sie hatte ihn auf einer ihrer Geschäftsreisen mit Frank nach Pakistan kennengelernt und wusste um seine Macht. Um Mitternacht traf ein Wagen in dem Strandhaus ein, den Alyshia erkannte. Es war Sharmilas. Er hielt vor dem Haus und wartete, bis die Tore wieder geschlossen waren. Erst dann stieg Sharmila auf der Fahrerseite aus, was an sich schon überraschend war, weil sie sich sonst nie ans Steuer setzte, sondern sich fahren ließ. Sie ging zur hinteren Tür des Wagens und ließ zwei Kinder aussteigen. Mädchen. Alyshia sagt, es sei schwer gewesen, ihr Alter zu schätzen, doch sie reichten Sharmila bis an die Hüfte. Vielleicht sechs oder sieben Jahre alt. Sie nahm sie bei der Hand und führte sie zur Haustür, die geöffnet wurde, bevor sie sie erreicht hatte. Sharmila schob die Kinder durch den Spalt, drehte sich um und ging. Genau genommen hat Alyshia gesagt, sie drehte sich um und floh. Die Innenbeleuchtung des Wagens brannte noch, als er an Alyshia vorbeifuhr, und sie sagt, sie würde den Ausdruck auf Sharmilas Gesicht ihr Leben lang nicht vergessen. Sharmila hatte Augen und Mund weit aufgerissen wie zu einem Schrei, nur dass sie wie in einem Traum keinen Laut herausbrachte. Es war, als ob – und Alyshia hat hinterher eine Menge darüber nachgedacht – sie den Ort ihrer kompletten Korruption nicht verlassen, sondern für immer darauf zufahren würde. Und da begriff Alyshia, was für ein Mann ihr Vater war«, sagte Mistry. »Nicht nur jemand, der die Schwächen anderer entdeckt und ausbeutet, sondern auch jemand, der bereit ist, die Verderbtheit zu benutzen, um Menschen noch enger an sich zu binden.«
Mercy beendete das erste Verhör mit Skin und schlief ein paar Stunden in einer Polizeizelle. Dann schreckte sie hoch und fühlte sich verlassen. Das war ihr Leben, dachte sie: zur Einsamkeit bestimmt, ihr Job der einzige Sinn. Kein Mann. Keine Tochter. Und kaum hatte sie das gedacht, schaltete ihr Kopf wieder zu dem Fall um und verbiss sich wie ein Terrier in jedes Detail. Sie rief George Papadopoulos an, der über die Störung nicht glücklich war, genauso wenig wie seine Freundin, die sich umdrehte und die Bettdecke mit sich zog.
»Mercy, es ist … vier Uhr morgens«, sagte Papadopoulos, warf sich den Bademantel seiner Freundin über und tapste ins Wohnzimmer.
»Ich kann nicht schlafen«, sagte sie. »Ich will mir dieses Gebäude in Hackney ansehen, wo Alyshia gefangen gehalten wurde.«
Eine Stunde später wurden sie von einem uniformierten Beamten in das mit Polizeiband abgesperrte Gebäude geführt. Er erklärte ihnen, dass es sich im Besitz des Rosemary Works Early Years Centre befand und an einen gewissen Michael Keane, genannt MK , vermietet war, der um die Ecke wohnte und es als Atelier benutzte. Mercy rief das zuständige Drogendezernat an und fragte, ob Keane dort bekannt war. Er war.
»Wir suchen ihn«, erklärte Mercy. »Hat er Kollegen in der Gegend?«
» Kollegen ist nett gesagt. Er teilt sich das Colville Estate mit einem Jamaikaner, Delroy Dread. Außerdem vertickt er Pillen über einen Jungen namens Xan – Alexander Palmer.«
»Adressen?«
Sie nannten sie ihr und warnten sie vor Delroy
Weitere Kostenlose Bücher