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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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Er taumelte und fand sich auf dem Boden wieder. Pfeifen und Gelächter, aber auch Applaus, während Natalie sich einen Weg durch die Reihen bahnte. Sein Gesicht brannte vor Zorn und Scham.
    »Das perfekte Finale!« Saschas Rucksack über dem Arm, kam Jan heran und hielt dabei unablässig mit dem Handy auf ihn.
    »Idiot!« Er rappelte sich auf und nahm Jan seinen Rucksack ab. »Wenn du nicht sofort das blöde Ding wegnimmst, schmeiß ich es gegen die Wand.«
    »Ist ja gut.« Jan steckte das Handy ein, doch das Grinsen blieb in seinem Gesicht hängen. »Wieso machst du auch so was, Alter? Sieht doch jeder, dass die Tussi einen an der Waffel hat.«
    Sascha humpelte an Jans Seite Richtung Eingang. »Wieso haben sich die beiden eigentlich gefetzt?«
    Jan zuckte die Achseln. »Was weiß ich. Ich glaub, die Rothaarige hat irgendwas rumerzählt. Dass die andere eine Lesbe ist oder so was.«
    »Und? Ist da was dran?«
    »Woher soll ich das wissen, Alter? Ist doch auch egal. Oder stehst du etwa auf die?«
    »Quatsch.«
     
    »DU BIST DOCH Sascha Schmidt, oder?«, fragte das blond gelockte Mädchen, als Sascha mit einem Sandwich und einer Flasche Apfelschorle auf den Pausenhof trat. »Ich soll dir das hier geben.« Sie hielt ihm einen mehrfach zusammengefalteten, karierten Zettel hin.
    »Von wem?«, fragte er, während er ihn nahm, doch die Botin lief einfach davon. Er setzte sich auf eine Bank, faltete den Zettel auseinander und las in einer Handschrift, die fast nur aus Kreisen und Wellen bestand:
Sorry wegen dem Tritt. Tut’s noch weh? Ich bin im Sportgeräteraum. Natalie.
    Na und?, dachte er grimmig. Mir doch egal, wo du bist. Die Begegnung am Morgen reichte ihm voll und ganz. Wahrscheinlich ging der Clip mit seinem blamablen Auftritt gerade von Handy zu Handy und war spätestens morgen auf YouTube und Facebook zu bewundern. Und doch konnte er nicht aufhören, den Zettel in seiner Hand zu betrachten. Das Eigenartige an Mädchen war, dass man ihnen zwar böse sein und sie nicht ausstehen, ja, sogar hassen konnte, aber niemals so wie einen Jungen. Egal, wie dumm oder fies sie waren.
    Ich bin im Geräteraum. Natalie.
    Wahrscheinlich bereue ich es hinterher, dachte er, nahm seine Sachen und ging Richtung Turnhalle.
    Natalie erwartete ihn im Halbdunkel, auf dem Stapel Gummimatten sitzend. Sie schien sich zu freuen, dass er gekommen war. Zumindest konnte das, was sich auf ihrem Gesicht abzeichnete, als Lächeln durchgehen.
    »Du verteilst anscheinend gerne solche Zettel«, stichelte Sascha.
    Sie zuckte die Achseln. Ob sie die Anspielung auf Androsch überhaupt verstanden hatte?
    »Und? Was willst du?«, fragte er absichtlich schroff.
    »Nichts Bestimmtes. Nur dass du bei mir bist. Komm, setz dich.«
    Sah ganz so aus, als habe sich die Hulk-Natalie wieder zurück in die Bruce-Banner-Natalie verwandelt. Trotzdem zögerte er.
    »Tut mir echt leid, dass ich dich getreten hab.« Sie senkte den Blick in ihren Schoß, wo sie an einem Papiertaschentuch zupfte.
    »Schon gut.«
    Er kletterte zu ihr auf den Mattenstapel.
    »Nee, ist es nicht. Du bist der einzige nette Mensch an der Schule. Und wegen mir zerreißen sie sich jetzt auch über dich das Maul.«
    »Mir ist egal, was die anderen reden.«
    »Red keinen Quatsch. Wenn alle schlecht über einen reden, macht das jeden fertig. Du hättest dich nicht einmischen sollen.«
    »Aber ich dachte, du bringst sie um. Du hättest dich sehen sollen. Du warst total außer Kontrolle. Wie Lara Croft auf einem schlechten Trip.« Keine Reaktion auf seinen Versuch, witzig zu sein. »Jemand musste dich vor dir selbst schützen.«
    Sie schaute ihn an. Im Dämmer des Geräteraums schimmerten ihre Augen noch dunkler, und das tiefe Rot ihrer Lippen war beinahe schwarz.
    »Und warum willst ausgerechnet
du
mich beschützen?«
    »Keine Ahnung.« Er spürte, wie er errötete, und hoffte, dass sie es bei dem schlechten Licht nicht bemerkte.
    »Du bist schon so der Beschützer-Typ, oder?«, sagte sie. »Ich finde das schön. Alle anderen denken doch nur an sich. Nicht zum Aushalten ist das.« Sie nickte in Richtung seines Pausenbrotes. »Darf ich mal abbeißen?«
    »Klar.« Er hielt es ihr hin.
    Sie nahm das Sandwich und schaute nach, womit es belegt war. Salami und Käse waren offenbar okay. Nachdem sie abgebissen hatte, gab sie es ihm zurück, und auch er aß davon. Bissen für Bissen teilten sie es unter sich auf, genau wie die Apfelschorle danach. Alles, ohne ein Wort miteinander zu reden.
    Als nichts mehr da

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