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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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die Verzierung gekriegt, die sie braucht. Du bist doch einer von seinen Psychos, oder?« Er hatte die erste Begegnung also auch nicht vergessen.
    »Der Psycho bist ja wohl eher du.«
    Sascha ging weiter. Der Typ war ihm unheimlich. Während er vor der Haustür auf das Surren des Türöffners wartete, schaute er sich noch einmal kurz um. Doch Mirko war nicht mehr zu sehen.
     
    ANDROSCH STAND WIE immer an der Tür. Ein kurzes Händeschütteln, dann trat Sascha in die Diele und hängte seine Jacke auf. Er hatte sich noch nicht entschieden, ob er von der Begegnung auf der Straße erzählen würde, auch noch nicht, als er sich auf der Couch niederließ, in die Kuhle, die er längst als die seine erachtete, obwohl eine Menge anderer Leute auch darauf Anspruch erheben konnte. Die Entscheidung fiel aus dem Bauch heraus, er redete einfach los: »Der blaue BMW unten an der Ecke, das ist doch Ihrer?«
    Überrascht sah Androsch ihn an. »Äh … Ja. Warum?«
    »Da war so ein Junge, der hat ihn auf einer Seite zerkratzt, mit so einem spitzen Ding. Einem Schlüssel oder so.«
    »Was?«
    »Und dann hat er zu mir gesagt, ich soll Ihnen ausrichten, dass die Karre jetzt die Verzierung hat, die sie braucht.«
    Er konnte auf Androschs Gesicht sehen, dass der sich gerade seinen glänzenden Wagen mit dem Kratzer vorstellte. Gespannt wartete er auf eine Reaktion. Einen Wutausbruch. Oder wenigstens einen Fluch. Doch nichts. Androsch schlug nur die Beine andersherum über, und wenn man genau hinsah, bemerkte man, dass seine blassen Wangen sich rötlich verfärbt hatten. Schließlich nahm er Block und Bleistift vom Beistelltisch und begann wie immer mit: »Fangen wir an.«
    »Da ist noch was.«
    »Ach ja? Was denn?«
    Sascha zögerte, knetete die Hände. »Kennen Sie zufällig ein Mädchen namens Laila?«, fragte er schließlich. »Ich meine die, die vergiftet wurde. War sie wirklich bei Ihnen in Behandlung?«
    Androschs Miene veränderte sich schlagartig. So als habe ihn eine Kugel in den Rücken getroffen.
    »Wieso? Hat deine Mutter dir irgendwas …?«
    »Meine Mutter?«, wunderte sich Sascha. »Nee. Warum?«
    »Egal.« Androsch rieb sich ein Auge, dann blinzelte er heftig und schlug die Beine wieder anders übereinander. »Können wir endlich anfangen?« Er klang plötzlich angespannt, ja genervt.
     
    ERLEICHTERT TRAT SASCHA auf die Straße. Die Therapiestunde hatte sich heute ganz schön gezogen. Ein ums andere Mal hatten sie aneinander vorbeigeredet, und überhaupt hatte eine bleierne Schwere über allem gelegen, wie in der sechsten Stunde Mathe, wenn zehn Minuten vor dem Läuten selbst der Lehrer nach der Uhr schielt.
    Dass Androsch geglaubt hatte, die Info über Laila stamme von seiner Mutter, konnte nur eines bedeuten: Die Polizei hatte schon mit ihm gesprochen. Was nicht überraschte, denn sie hatte sicher längst von Lailas Therapie bei ihm erfahren; und wohl auch davon, dass alle anderen Mädchen ebenfalls irgendwann mal bei ihm in Behandlung gewesen waren. Was seine Mutter wohl für Schlüsse daraus zog?
    Androschs BMW fiel ihm ins Auge. Die Kratzspur sah aus wie ein Schnitt durch eine ölig glänzende Haut. Alles in allem hatte Androsch es erstaunlich gelassen aufgenommen. Vielleicht war er solche Aktionen von seinem Sohn gewöhnt. Komisch war es trotzdem. Sascha war nie geschlagen worden, aus Prinzip nicht und weil er seinen Eltern kaum je Anlass dazu gegeben hatte. In so einem Fall aber hätte sein Vater vermutlich eine Ausnahme gemacht. In so einem Fall würde ich auch eine Ausnahme machen, dachte Sascha und überquerte die Straße.
    »Und? Was hat er gesagt?«
    Er erschrak. Die Stimme war aus dem Nichts gekommen. Von hinten schloss jemand mit großen Schritten zu ihm auf. Mirko, wie er im Augenwinkel erkannte. Statt langsamer zu werden, ging er eher noch schneller. Bloß weg von diesem Freak.
    »Bist du taub, Alter? Ich hab dich was gefragt.«
    Mirko packte ihn am Arm, doch er riss sich los.
    »Lass mich in Ruhe! Wenn du ein Problem mit deinem Vater hast, dann mach das mit ihm aus.«
    Zur Haltestelle waren es nur noch ein paar Hundert Meter, weiter unten bog gerade der Bus in die Straße ein. Sascha rannte los. Er hatte keine Lust, auf den nächsten Bus zu warten und dabei von diesem Freak belabert zu werden. Außerdem konnte man nie wissen, was so einer vorhatte. Vielleicht zerkratzte er nicht nur Autos, sondern verprügelte auch Leute, die ihm nicht passten. Als er die Haltestelle erreichte, stiegen gerade die letzten

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