Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
Vom Netzwerk:
Aufregung, und jetzt war niemand da.
    Rose sah auf die Straße, in der Hoffnung, dass Donna Warren vielleicht zufällig gerade nach Hause kam. Fehlanzeige. Selbst das fette Paar mit dem Kind war inzwischen verschwunden. Weit und breit keine Menschenseele.
    Rose wandte sich zurück zur Tür. Dann lächelte sie.
    Sie konnte Donna trotzdem überraschen. So wäre die Überraschung sogar noch viel größer. Ja. Eine viel eindrücklichere Art, Donna zu zeigen, wer hier das Sagen hatte. Sie würde den Schreck ihres Lebens bekommen.
    Rose vergewisserte sich ein letztes Mal, dass niemand in der Nähe war, der sie hätte beobachten können. Dann wandte sie sich wieder der Tür zu. Zog ein Lederetui mit einem Satz Dietriche aus der Tasche.
    Und machte sich ans Werk.
    Am liebsten hätte sie laut gepfiffen, so vergnügt war sie.

    59 Marina fand die Tür zum Archiv. Drückte die Klinke herunter. Nicht abgeschlossen. Sie trat ein.
    »Don? Bist du hier drin?«
    Keine Antwort.
    Sie spähte in den ersten Gang. Alles sah genau so aus, wie sie erwartet hatte: lange Regalreihen voller alter Pappkartons. Es war dunkel im Raum, und das am helllichten Tag. Alte, teilweise defekte Deckenbeleuchtung. Mehrere der Leuchtröhren summten und flackerten und tauchten den Raum in stroboskopische Lichtblitze.
    Wie in einem Gruselfilm , dachte sie.
    Dann kniff sie sich innerlich. Sei doch nicht blöd . Das hier war das Southway Polizeirevier in Colchester. Nicht Das Leichenhaus der lebenden Toten .
    Sie blieb stehen und lauschte. Dann rief sie erneut.
    »Don? Bist du da?«
    Ein Geräusch. Hinten am anderen Ende der Regale. Sie war nicht allein.
    »Don, ich bin’s, Marina. Bist du …?«
    Eine Gestalt löste sich aus dem Schatten am Ende der Regalreihe und kam auf sie zu.
    »Don? Bist du das?«
    Die Gestalt trat in einen Fleck aus flimmerndem Licht.
    Marina stieß den Atem aus, von dem sie gar nicht wusste, dass sie ihn angehalten hatte. »Bist du es also doch. Einen Moment lang dachte ich, es wäre …« Sie verstummte, ohne den Satz zu beenden. »Was hast du denn da, Don? Was machst du da?«
    Don stopfte gerade hastig etwas unter seine Jacke. Seiner Miene nach zu urteilen, war er sehr verärgert, dabei erwischt worden zu sein.
    »Marina …« Das Flackern über ihnen ließ seine Augen in einem eigenartigen Glanz erstrahlen. Es sah nicht angenehm aus.
    Marina bekam es mit der Angst zu tun. Das war nicht der nette alte Großvater, der sich liebevoll um ihre Tochter kümmerte. Das hier war … jemand, den sie noch nie gesehen hatte.
    »Don, was soll …«
    Er hatte die Unterlagen unter seiner Jacke verstaut und kam auf sie zu.

    60 Donna bog von der Barrack Street in ihre Straße ein. Fuhr ganz langsam, während sie Ausschau nach einem Parkplatz hielt. Gleichzeitig hatte sie den Fuß immer am Gaspedal, damit sie beim ersten Anzeichen von Gefahr sofort durchstarten konnte.
    Ben saß neben ihr. Er sagte nichts, auch wenn ihm bestimmt unendlich viele Fragen durch den Kopf gingen. Als sie am Morgen im Wald neben dem Auto gestanden hatten, hatte er gleich angefangen, sie zu löchern, kaum dass sie mit dem Weinen aufgehört und ihn losgelassen hatte. Sie war nicht in der Verfassung gewesen, mit ihm zu streiten, ihn anzuschreien oder sich ihm zu widersetzen. Also hatte sie sich bemüht, ihm zu antworten, auch wenn sie selbst nicht viel wusste. Aber dann hatte der Junge etwas gesagt, was sie ins Grübeln gebracht hatte. Zuerst hatte sie es nicht weiter beachtet, aber dann hatte sie noch mal gründlicher darüber nachgedacht, und ihr war klargeworden, dass es vielleicht wichtig sein könnte.
    »Hast du ihr Geschichtenheft?«, hatte er von ihr wissen wollen.
    »Nein«, hatte Donna mechanisch geantwortet, weil sie keine Ahnung hatte, wovon er sprach. »Ich hab keine Geschichtenhefte.«
    »Mum hat immer ihr Geschichtenheft dabeigehabt.« Ben hatte sich auf die Erde gesetzt, bohrte die Ferse in den harten Waldboden und wirbelte eine Wolke aus Staub und Steinchen auf.
    »Sie hat da immer reingeschrieben. Hat gesagt, das ist ihre Lebensgeschichte. Und dass es jemanden gibt, für den sie ganz wichtig ist.«
    »Wir haben kein Heft, das kann also nicht sein.«
    Ben bearbeitete weiter den Waldboden. »Sie hat aber gesagt, es ist wichtig. Hat gesagt, irgendwann will es mal jemand lesen, und der gibt ihr dann Geld dafür.«
    »Klar.« Donna steckte sich noch eine Zigarette an und ging nicht mehr darauf ein. So ziemlich jeder, den sie kannte, fand seine eigene

Weitere Kostenlose Bücher