Stirb mit mir: Roman (German Edition)
Manchmal entwickeln die Dinge sich anders als geplant, das wissen wir ja beide. Schließlich beschäftigen wir uns mit Ausnahmen. Wenn Du das hier in der Hand hältst, werde ich längst fort sein, aber ich habe vor, mit leichtem Gepäck zu reisen. Bitte heb den Stick auf.
Ich hoffe, dich bald wiederzusehen, entweder hier oder in einem anderen Leben.
Dave
Als hätte die Sonne den Nebel durchdrungen, wurde ihr der Zusammenhang klar. David hatte geschrieben, er habe vor, »mit leichtem Gepäck zu reisen«. Das war keine Metapher gewesen, er hatte sich nicht auf eine Reise in den Tod bezogen, sondern auf eine normale Reise, die er machen wollte, ehe er an seiner Krankheit starb. Der USB -Stick und das Tagebuch, um Alice zu entlasten, waren gar nicht mehr nötig gewesen. Wahrscheinlich hatte er ursprünglich vorgehabt, Alice den Stick zu hinterlassen, doch nachdem er sich entschieden hatte weiterzuleben, hatte er ihn Krishna geschickt.
Cate klickte auf ›Drucken‹. Der Drucker stand draußen auf dem Flur. Dort würden die Seiten in den Ausgangskorb gelegt und auf sie warten. Als Nächstes rief sie ihr Gutachten auf und schrieb den letzten Absatz neu. Jetzt wusste sie, was sie empfehlen würde und wie der Richter entscheiden musste. Als das Gutachten fertig war, mailte sie es mit einer Erklärung an das Büro des Richters. Wahrscheinlich würde ihm beides in Kürze vorliegen. Sie griff nach ihrer Aktentasche, trat in den Flur hinaus, sammelte die ausgedruckten Tagebuchseiten ein und lief nach unten zum Empfang.
Dort reichte sie Dot eine zugeklebte braune Jiffy-Tasche, die den USB -Stick enthielt, und bat sie, die Sendung noch in dieser Stunde aufzugeben. »Bitte schreib ›zu Händen Sergeant West‹ darauf. Es ist dringend und muss ihn heute noch erreichen.«
In ihrem Wagen überlegte sie, ob das, was sie vorhatte, richtig war. Warum rief sie Alice nicht einfach an? Da Alice nichts von der Krankheit ihres Partners gewusst hatte, war es vermutlich rücksichtsvoller, ihr die Nachricht persönlich zu überbringen. Schließlich ging es um das Schicksal dieser Frau. Dass Cate persönlich vorbeikam, um es ihr mitzuteilen, war das Mindeste, was sie verdient hatte.
Damit würde Cate sowohl David Jenkins als auch Alice gerecht werden. Schließlich waren beide Opfer.
Vierzig
Ich habe Ihnen die Wahrheit versprochen, deshalb sollen Sie alles erfahren. Vergebung zu erwarten, wäre zu viel verlangt, deshalb hoffe ich einfach auf Ihr Verständnis. Smith ist wie folgt gestorben:
Während die Minuten verstrichen und Mitternacht näher rückte, war ich aufgeregt wie ein Kind an Heiligabend. Ich versuchte, mir jeden Augenblick zu merken, wollte kein Detail vergessen. Smith war oben im Gästezimmer, ruhte vor seinem letzten Schlaf und träumte im Voraus. Ich bereitete unser mitternächtliches Mahl vor, presste Früchte aus, rührte Honig in einen Becher Joghurt und holte den Käse aus dem Kühlschrank. Ich hatte mich für milden, cremigen Ziegenkäse und einen blaugeäderten Stilton entschieden, die wir auf Kräckern essen würden. Ich deckte den Tisch mit weißem Porzellan, Kristallgläsern und einer Flasche Sancerre. Die beiden Plastikampullen GHB lagen noch im Kühlschrank, von einer war schon etwas genommen worden.
In meiner kostbaren blauen Vase arrangierte ich Mohnblumen als perfekten Mittelpunkt der Tafel. Dann war es Viertel nach elf. Uns blieb weniger als eine Stunde, doch von oben hörte ich nur, dass Smith auf seinem Laptop tippte und sein Tagebuch beendete. Sein Abschiedsbrief lehnte bereits in einem zugeklebten Umschlag an der leeren Flasche Belle Epoque. Nachdem wir sie getrunken hatten, waren wir beide nervös, und Smith war dermaßen erregt, dass er seine Sektflöte zerbrochen hatte. Auf die Schnitte an seinen Fingern hatte ich Pflaster geklebt und die Scherben aufgefegt.
Nach dem Duschen cremte ich mich mit einer Lotion ein, die Essenzen aus Papayas und Mangos enthielt, und wusch mir die Haare mit einem Jasminshampoo. Ich ließ mir Zeit, klopfte und rieb die Lotion ein, salbte mich wie für ein uraltes Ritual. Ich beschloss, Weiß zu tragen, einfache Unterwäsche und ein langes Leinenkleid. Als ich mir die Haare vor dem Spiegel im Schlafzimmer trocknete, betrachtete ich mein Spiegelbild und mein friedvolles Gesicht. Dann trug ich eine getönte Feuchtigkeitscreme auf, hellen Lidschatten und blassrosa Lipgloss. Schließlich lackierte ich mir die Finger- und Zehennägel in einem hübschen
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