Stirb mit mir: Roman (German Edition)
können sie auch nicht mit Meiwes vergleichen, denn der hat sein Opfer eingefroren und es nach und nach verzehrt. Außerdem hat er den Mann beim Sterben gefilmt und masturbiert, wenn er sich den Film angesehen hat.«
Cates Magen zog sich zusammen. Im Geist dankte sie Alice dafür, dass sie nichts dergleichen unternommen hatte. »Trotzdem geht es bei Mariani nicht um einen typischen Fall der Euthanasie, oder? Warum wäre sie sonst vor Gericht gekommen? Jenkins lag weder im Sterben, noch litt er an einer tödlichen Krankheit.«
»Laut Autopsiebericht war er gesund. Die Todesursache lautete Herzstillstand aufgrund einer Überdosis GHB . Soweit ich weiß, hatte er nicht einmal einen Hausarzt, ihm dürfte also nichts gefehlt haben. Aber auch sonst war es schwierig, etwas über ihn herauszufinden. Ich war nach seinem Tod in London, habe mit seinem Chef gesprochen und versucht, den Arzt von Jenkins aufzutreiben, aber in seinem Umfeld gab es nirgendwo eine Praxis, in der er als Patient registriert war. Vielleicht war der Typ nur verkorkst. Oder er litt an Depressionen, was ja auch als Krankheit zählt, oder?«
»Eigentlich schon.« Cate holte tief Luft und wartete auf eine innere Eingebung, die jedoch ausblieb. »Nichts davon ergibt für mich einen Sinn. Auch an die Sterbehilfe kann ich nicht glauben. Nach meinem Gefühl war da irgendetwas Unheimliches mit im Spiel.«
»Mit Ihrem Gefühl werden Sie nicht weiterkommen, fürchte ich. Mariani wurde der Sterbehilfe bezichtigt und hat sich schuldig bekannt. Der Fall ist entschieden. Jetzt müssen Sie nur noch das dazu passende Urteil empfehlen.«
Das war typisch Steve, zielsicher und geradeheraus. »Ich weiß. Trotzdem vielen Dank für die Informationen.«
»Gern geschehen.«
Cate legte den Hörer auf und loggte sich ins Internet ein. Nach kurzem Nachdenken gab sie Selbstmordpakt als Suchbefehl ein. Seufzend betrachtete sie die lange Reihe der Links und dachte an Steves Worte über die Merkwürdigkeit der Menschheit, denn wie es aussah, war der Fall weniger ungewöhnlich, als sie gedacht hatte. Cate suchte nach Präzedenzfällen in England.
Sie stieß auf die Geschichte eines Jungen aus Manchester, der im Alter von vierzehn Jahren bereits Selbstmord begehen wollte, es jedoch nicht allein schaffte. Daraufhin lockte er seinen Freund in eine Internetbeziehung, bei der er sich als Spionin tarnte und ihm Sex versprach, wenn er ihn tötete. Dann war da noch Matthew Williams, dessen Freund getötet werden wollte. Williams schlitzte ihm die Kehle auf und trank sein Blut. Als Nächstes erinnerte Cate sich an Jason Mitchell, einen Mörder aus Suffolk, der versucht hatte, seine Opfer zu verspeisen.
Aber keiner dieser Fälle hatte etwas mit ihrem zu tun.
Cate machte sich ein paar Notizen und widmete sich erneut den Unterlagen der Anklage. Wenig später entdeckte sie Alices eigene Aussage.
Aussage von Alice Mariani
Alter: über 18
Smith hat eine Anzeige aufgegeben. Er ist auf mich zugekommen. Seinen richtigen Namen hat er mir nie genannt. Er wollte mich schützen. Das war unsere Abmachung. Ich willigte ein, bei ihm zu sein, wenn er die tödliche Überdosis nahm. Anschließend griff er nach einem Messer und schnitt sich ins Fleisch. Er wollte sterben. Es war sein freier Wille. Sein Tod war Selbstmord. Ich war lediglich an seiner Seite, da er nicht allein sterben wollte. Wer möchte das schon?
Ich sollte gar nicht hier sein. Das ist keine Angelegenheit für die Polizei. Wir leben in einem freien Land, und zwei einvernehmliche Erwachsene können über ihr Tun frei entscheiden. Ich stelle für niemanden eine Gefahr dar. Smith wollte sterben, und ich war gewillt, ihm dabei zu helfen.
Zwischen Leben und Tod zu wählen ist ein Menschenrecht.
Cate schnaubte verächtlich. Alice versuchte offenbar, die Sterbehilfe zu romantisieren. Sie verglich die Aussage der Frau mit der von Wachtmeister Flynn, dessen Reaktion sie um einiges mehr überzeugte. Kein Wunder, dass Alice inzwischen in einer psychiatrischen Klinik war. Ihr fehlte das innere Gleichgewicht. Einer ihrer Sätze war bei Cate allerdings haften geblieben, denn da ging es um etwas, das ihr zu schaffen machte. Sie las ihn ein ums andere Mal und überlegte, ob sie Alice glaubte, wenn die behauptete, sie stelle für niemanden eine Gefahr dar.
Dreizehn
Als ich wieder zu mir komme, rieche ich Desinfektionsmittel und höre das Wischen eines Mopps. Ich öffne die Augen, die vom Schlafen verklebt sind. Ich bin in einer Zelle. Die Wände
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