Stirb schön
alle Heizkörper abgenommen, sämtliche Dielenbretter hochgestemmt und sogar Teile der Tapete entfernt worden sein.
»Schon was Interessantes dabei?«, fragte Grace und warf einen Blick auf die Katze, die zu ihm aufschaute.
Tindall bedachte ihn mit einem seltsamen Blick. »Kommt drauf an, was du interessant findest. Blutflecken auf einem Schlafzimmerteppich, Blutspritzer an Wand und Decke. Autoschlüssel für den Mini draußen – den haben wir in einen Transporter gepackt, weil ich nicht will, dass ihn jemand fährt und kontaminiert.«
»Gute Idee.« Also war Janie Stretton nicht mit dem Auto zu ihrem Mörder gefahren. Er kniete sich hin und streichelte die Katze. »Wir suchen jemanden, der dich zu deinem Opa bringt«, sagte er.
Wieder der seltsame Blick von Tindall. »Kommt mal mit.«
»Du musst Bins sein«, sagte Grace zu der Katze.
Sie miaute.
»Hat ihn jemand gefüttert?«
»In der Küche steht so ein automatisches Ding.«
Roy Grace ging dem Erkennungsdienstler hinterher. Janie Strettons Wohnung unterschied sich beträchtlich von dem restlichen schäbigen Gebäude; sie war geräumig, praktisch und geschmackvoll eingerichtet. In Diele und Wohnzimmer waren die glänzenden Holzböden mit weißen Teppichen bedeckt, alle Vorhänge und Polsterbezüge waren ebenfalls weiß, die Möbel glänzend schwarz bis auf die sechs Plexiglasstühle am Esstisch. An den Wänden hingen Schwarz-Weiß-Fotos, darunter einige ziemlich erotische Akte.
In einem Erker stand ein kleiner, wacklig aussehender Schreibtisch, darauf ein Sony-Laptop und eine Kombination aus Telefon und Anrufbeantworter, dessen Anzeige blinkte.
Es gab eine winzige Küche, ein ebenso winziges Gästezimmer und ein geräumiges Schlafzimmer, das sehr feminin wirkte. In der Luft hing der Hauch eines Parfums, das Grace sehr mochte. Seltsam, die Bewohnerin war tot, doch diese Spur von ihr war geblieben. Das Zimmer war mit weißem Teppichboden ausgelegt. In der Mitte prangte ein großer Fleck von etwa sechzig Zentimetern Durchmesser, drum herum viele kleinere Sprenkel.
Durch eine offene Tür sah Grace in ein Badezimmer. Er ging vorsichtig um die Blutflecke herum und schaute hinein.
Seine Augen registrierten alles, während ein weiterer Erkennungsdienstler sämtliche Oberflächen auf Fingerabdrücke untersuchte. Er musterte die Truhe aus Zedernholz am Fußende des schmalen Doppelbetts, die verstreuten Kissen auf dem Bett, den hohen antiken Standspiegel, die geschlossenen Jalousien, die beiden eingeschalteten Nachttischlampen, den Spiegelschrank gegenüber vom Bett. Er begutachtete die Blutspritzer an der Wand.
Bins glitt herein und rieb sich an seinem Bein. Wieder streichelte er geistesabwesend die Katze. Als Tindall unvermittelt aufblickte, folgte Grace seinem Blick. An der Decke über dem Bett hing ein Spiegel.
»Bisschen ungewöhnlich, oder?«, fragte Tindall.
»Kann man so sagen.«
»Vielleicht hatte sie Rückenprobleme und konnte sich nur im Liegen schminken«, meinte Grace augenzwinkernd.
»Da wäre noch was«, fügte der Erkennungsdienstler hinzu und öffnete eine Schublade der Kommode.
Grace und Branson schauten hinein. Verblüfft erblickten sie eine Sammlung von Gerätschaften, die problemlos in ein Sadomaso-Verlies gepasst hätten.
Ohne den Inhalt zu berühren, registrierte Grace eine Peitsche, Handschellen, eine Gesichtsmaske aus Gummi, verschiedene Fesselungsutensilien einschließlich eines Hundehalsbands mit Dornen, das vermutlich nicht für Hunde gedacht war, eine Rolle Klebeband, einen Rohrstock und diverse Vibratoren.
Grace pfiff durch die Zähne. »Ich glaube, du hast ihre Spielzeugkiste gefunden.«
»Na ja, wenn es sie angemacht hat.«
Grace kniete sich und schaute genauer hin. »Sonst noch was?«
»In ihrem Nachttisch haben wir etwa zwanzig aktuelle Pornohefte gefunden. Die von der harten Sorte.«
»Ist diese Scheiße etwa normal ?«, fragte Branson.
»Bei Männern habe ich schon oft Pornohefte gefunden, bei Frauen dagegen seltener«, meinte Tindall.
Grace ging noch einmal allein durch die Wohnung, wollte ein Gespür für sie bekommen. Und je länger er umherging, desto ungemütlicher kam sie ihm vor.
Er erinnerte sich, dass Le Corbusier gesagt hatte, das Haus sei eine Maschine zum Wohnen. Und genau so kam ihm diese Wohnung vor. Makellos sauber. Im Bad duftete ein neuer Lufterfrischer, das Waschbecken glänzte, alle Toilettenartikel bis auf elektrische Zahnbürste und Zahnpasta waren in Schränken verstaut. Für eine
Weitere Kostenlose Bücher