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Stoerfall in Reaktor 1

Stoerfall in Reaktor 1

Titel: Stoerfall in Reaktor 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Hänel
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auf die Uhr und schiebt seinen Stuhl zurück. »Ich muss los. Die Arbeit ruft.« Er drückt kurz Lukas’ Oberarm und will zur Tür.
    »Schon klar«, sagt Lukas, ohne sich umzudrehen. »Gibt es mal wieder irgendein Problem mit irgendwelchen Kostenvoranschlägen, die nicht passen? Oder ist es ausnahmsweise mal was Ernstes?«
    »Was? Was meinst du damit?«
    »Vergiss es. Beeil dich lieber, damit du nicht zu spät kommst. Wäre doch ärgerlich, wenn die anderen inzwischen irgendwas tricksen und du nicht dabei bist! Nur hinterher eine Unterschrift druntersetzen macht doch auch keinen Spaß, versteh ich schon. Ist echt besser, wenn du von Anfang an ein paar Tipps beisteuern kannst, wie ihr die Sache hinbiegt, ohne dass es zu sehr auffällt. Bei so was ist es immer gut, wenn alle an einem Strang ziehen, hab ich recht?« Jetzt blickt er doch hoch. Sein Vater ist kreidebleich geworden, aber er erwidert nichts, er schluckt nur und streicht sich nervös eine Haarsträhne aus der Stirn.
    »Schon klar, Papa«, setzt Lukas nach. Er merkt, wie seine Stimme zittert, aber jetzt ist es zu spät, um so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre, und einfach noch irgendwas Belangloses zu sagen. »Ist schon doof, wenn man dann merken muss, dass irgendwelche Rohrleitungen plötzlich schon wieder Risse haben, obwohl sie gerade erst repariert wurden, oder Notstromaggregate nicht anspringen, weil sie gar nicht erst angeschlossen wurden. Oder was weiß ich, was euch da sonst noch Sorgen macht – ein paar undichte Ventile vielleicht? Irgendwelche Schweißnähte, die durchgerostet sind? Oder wieder mal ein Ersatzteil, das falsch eingebaut wurde und deshalb leider nicht funktioniert? Dumm gelaufen, dabei war doch alles so schön billig, nachdem die Firma erst mal wusste, um wie viel sie die Konkurrenz unterbieten musste, um den Auftrag zu kriegen!«
    »Woher hast du das, was du da sagst?«
    »Bestimmt nicht von dir.«
    »Lukas, das ist völlig anders, als du … Ich kann versuchen, dir das zu erklären, aber … nicht jetzt.« Lukas’ Vater dreht den Kopf zur Treppe, von wo man die Stimmen von Karlotta und Lukas’ Mutter hört. »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, das geht im Moment einfach nicht.«
    »Es ist nie der richtige Zeitpunkt, das ist das Problem!«, erwidert Lukas. »Aber es spielt auch keine Rolle mehr. Es ist zu spät. Gib dir keine Mühe, du brauchst mir nichts zu erklären.«
    »Lukas, bitte, verrenn dich da nicht in irgendwas. Das ist nicht deine Sache, hörst du? Wir reden darüber, sobald es passt …«
    Lukas’ Mutter und Karlotta kommen in die Küche. Lukas’ Mutter schaut irritiert von Lukas zu ihrem Mann. »Ist irgendwas?«
    »Ich muss los«, sagt Lukas’ Vater und drückt Karlotta einen Kuss auf die Stirn. »Sei tapfer. Du machst das schon …« Er greift nach seiner Tasche. Im Rausgehen wirft er Lukas noch einen letzten Blick zu, mit den Lippen formt er tonlos ein Wort. »Bitte« vielleicht. Dann fällt die Haustür ins Schloss und er ist weg.
    Eine Stunde später sind sie im Krankenhaus. Lukas hat die ganze Fahrt über hinten neben seiner Schwester gesessen und ihre verschwitzte Hand gehalten. Er hat ihr Geschichten erzählt, irgendwelche Sachen, die er erst beim Reden erfunden hat: Von Räubern, die früher in den Hügeln und Wäldern, die am Autofenster vorbeizogen, gelebt haben. Richtige Räuber, mit Vollbärten und Augenklappen und echten Säbeln und langen Pistolen, die jede Kutsche, die vorbeikam, angehalten und ausgeraubt haben. »Aber den Reisenden haben sie nie etwas getan, sie haben ihnen nur die Knöpfe an ihren Hosen abgeschnitten, damit die sie hinterher nicht verfolgen konnten, weil sie ja die ganze Zeit die rutschenden Hosen festhalten mussten!«
    Und Karlotta hat immer noch mehr hören wollen, als hätte sie genau verstanden, worum es ging: Dass sie bloß nicht darüber nachdenken sollte, was sie im Krankenhaus erwartete.
    Als sie sich zur richtigen Station durchgefragt haben, ist auch Karlottas Ärztin aus Wendburg da, die Lukas gestern auf der Demo gesehen hat.
    »Ich muss doch aufpassen, was sie hier mit dir machen«, begrüßt sie Karlotta. Und Karlotta strahlt übers ganze Gesicht, als wäre jetzt alles gut.
    Lukas’ Mutter und die Ärztin reden ein paar Worte miteinander. Lukas sieht sich die Bilder an, die gerahmt an der Wand hängen. Kinderzeichnungen, die meisten mit Wachsmalkreide gemalt: Pferde, Hunde, Katzen, manchmal noch ein Haus dazu, ein Kind, das Vater und Mutter an den Händen

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