Stoerfall in Reaktor 1
Frau am Tresen bearbeitet wieder ihre Fingernägel. Als das Telefon klingelt, nimmt sie genervt den Hörer ab, drückt mit dem Finger auf die Gabel und legt den Hörer neben den Apparat.
Es dauert keine zwei Minuten, bis der Journalist aus dem Fahrstuhl steigt. Während er auf Lukas zugeht, blickt er sich besorgt um, und ohne Lukas die Hand hinzuhalten oder wenigstens Hallo zu sagen, flüstert er: »Was machst du hier? Ich hab dir doch extra nur meine Privatnummer gegeben …«
»Ich wollte nur mal sehen, ob es Sie überhaupt gibt«, sagt Lukas. »Und ob Sie überhaupt Berger heißen. Oder vielleicht doch eher Meyer!«
»Das ist ganz schlecht jetzt«, antwortet der Redakteur. »Ich mache in einer halben Stunde Mittagspause. Kennst du das Irish Pub? Kannst du dahin kommen? Da sind wir ungestört.«
»Sie zahlen«, sagt Lukas, während er bereits aufsteht. »Und ein paar Antworten können Sie sich auch schon mal überlegen.«
Der Redakteur hebt die Hand zum Abschied und geht zum Fahrstuhl zurück.
Vin Diesel wäre stolz auf mich, denkt Lukas, als er aus dem Zeitungsgebäude wieder nach draußen kommt. Aber er hat ein mulmiges Gefühl im Magen. Er ist bei Weitem nicht so cool, wie er eben noch getan hat. Und er glaubt auch nicht wirklich daran, dass der Redakteur ihn gleich in der irischen Kneipe treffen wird.
Zwölf
Vor dem Irish Pub stehen ein paar Tische auf der Straße und ein Typ mit langen Rastalocken, der Didgeridoo spielt. Nicht gerade sehr irisch, denkt Lukas. Der Wirt scheint das ähnlich zu sehen, er lehnt rauchend im Türrahmen und verdreht bei jedem Ton die Augen.
Den Redakteur kann Lukas nirgends entdecken. Er schiebt sich an dem Wirt vorbei in die Kneipe. Die Luft in dem holzgetäfelten Raum ist erstaunlich kühl, aber es stinkt nach abgestandenem Bier und nach irgendetwas anderem, was Lukas nicht gleich zuordnen kann. Erst als er Gunnar Berger in der Ecke neben der offenen Tür zu den Toiletten sieht, weiß er, woher der Geruch kommt: Desinfektionswürfel!
»Nett hier«, sagt er und setzt sich.
Der Journalist hat ein halb volles Glas Guinness vor sich stehen. In einem geflochtenen Körbchen liegen noch ein paar Kartoffelstücke, die aussehen wie selbst gemachte Pommes.
»Bedien dich! Auch ein Guinness?«
»Nee, lieber nicht«, sagt Lukas. »Ich nehme ’ ne Cola, glaube ich.«
Berger winkt dem Wirt.
Aus dem Lautsprecher über der Theke dudelt leise Musik. Irgendein alter Song von U2. Das Didgeridoo von draußen macht es Bono schwer, seinen Text anzubringen: »It’s a beautiful day …« Der Redakteur trommelt mit den Händen den Takt auf der Tischplatte. Er wirkt nervös, denkt Lukas. Mal sehen, was er zu erzählen hat, ich kann warten.
Nachdem der Wirt die Cola gebracht hat, sagt Berger unvermittelt: »Also, ich bin Gunnar, aber das weißt du ja schon. Lukas?«
Lukas nickt.
»Gut. Tut mir leid wegen vorhin, aber in der Redaktion ist gerade der Höllenstress. Du hast den Artikel gelesen?«
Lukas zeigt nur auf die Zeitung, die er vor sich auf den Tisch gelegt hat.
»Ist nicht mein Artikel. Klar, dass du sauer bist – ich bin’s auch. Sie haben meinen Text in letzter Minute rausgekickt. Hat ihnen nicht gepasst. Nicht ausgewogen genug.«
»Und das geht einfach so?«, fragt Lukas jetzt doch nach.
»Das geht.« Gunnar nickt. »Und als ich mich geweigert habe, etwas Neues zu schreiben, hat der Chefredakteur auf die Schnelle selbst etwas verfasst. Das Ergebnis kennst du ja. Aber ich glaube, dass da ohnehin noch was anderes gelaufen ist. Irgendein Anruf von euch aus Wendburg. Da war jemand eindeutig besorgt, dass ich was Falsches schreiben könnte.«
»Der Bürgermeister«, platzt es aus Lukas heraus. »Sie waren nach der Demo bei ihm zu Hause und wollten irgendwelche Fragen stellen …«
»Gunnar«, unterbricht ihn der Redakteur. »Du kannst mich ruhig duzen.«
Lukas zuckt mit den Schultern, ohne auf das Angebot einzugehen.
»Ja, stimmt, ich war bei eurem Bürgermeister«, redet Gunnar weiter. »Ich sehe, du bist gut informiert.«
»Wendburg halt«, sagt Lukas. »Da spricht sich so was schnell rum. Auch, dass Sie nichts rausgekriegt haben.«
»War schon merkwürdig«, stimmt ihm Gunnar zu. »Normalerweise sind solche Typen nur zu gern bereit, jede Gelegenheit zu nutzen, um sich darzustellen. Aber in diesem Fall …« Er lässt das Ende des Satzes offen und nimmt einen Schluck Bier. Nachdem er sich den Schaum von den Lippen gewischt hat, fragt er: »Und du hast was für mich?«
Im
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