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Stoff für viele Leichen

Stoff für viele Leichen

Titel: Stoff für viele Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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erleichtern, streichelte ich ihre Brust.
„Kriegst trotzdem nichts umsonst, Süßer, klar?“
    „Ich will auch nichts umsonst, Marion. Aber es
ärgert mich, diese Ausbeuter zu mästen. Und ihren Mist zu saufen. „
    „Gut. Hast du was zu schreiben?“
    Ich gab ihr einen Stift und einen Zettel. Sie
schrieb eine Telefonnummer auf. „Ein Bistro in der Rue du Ponceau. Ruf mich
nachmittags gegen zwei an, wenn du Lust hast. Wir machen dann was aus. Hast du
auch ‘n Namen?“
    „Martin... Danke, du bist lieb“, sagte ich und
steckte Zettel und Stift wieder ein. „Wir zwei sind dann in Zukunft so was
Ähnliches wie Mann und Frau.“
    Wir lachten. Hier wurde sie ja doch von Madame
und dem Führungsstab überwacht, wenn auch nichts davon zu merken war. Bei ihr
oder sonstwo würde es für mich unendlich viel einfacher sein, ihr die Würmer
aus der Nase zu ziehen... falls es da was zu ziehen gab. Ein Versuch konnte
jedenfalls nicht schaden. Sollte nichts dabei rauskommen, so würde ich meine
Zeit auf angenehme Art und Weise verbringen. In meinem Beruf kommt das sehr
selten vor.
    „Und jetzt hau ich ab“, sagte ich.
    Marion drückte auf einen Klingelknopf. Die Tür
öffnete sich leise, und herein kam der Kerl mit dem Ohrfeigengesicht.
    „Einen Moment, bitte, Monsieur“, bat er mich.
„Wir müssen durch einen Salon, in dem gerade Kunden sitzen, die nicht gesehen
werden möchten. Es wird nicht lange dauern.“
    Von nebenan hörte man tatsächlich das gedämpfte
Stimmengewirr einer lebhaften Unterhaltung.
    „Hitzige Leute, könnte man meinen, hm?“ bemerkte
ich.
    „Großprotze. Kommen wegen der Folterkammer“,
seufzte der Haremswächter. Klang ganz so, als wäre er gern das Geißeltierchen.
    „Haben Sie gerade an einer Sitzung
teilgenommen?“ fragte ich ihn und zeigte auf den braunen Fleck an seiner weißen
Manschette, so groß wie ein Zwanzigfrancstück. Er blickte hin und kam
stirnrunzelnd ins Grübeln. Ein Fleck von einem ganz besonderen Braun.
Normalerweise ist so was Blut. Der Kerl hüstelte nervös, lachte dann gekünstelt
und erklärte:
    „Ach, das kommt vom ,Tomatensaft’. Sie können
sich ja vorstellen, daß die nicht bis aufs Blut gepeitscht werden. Wir haben da
einen roten Saft, der sieht genauso aus..."
    Er horchte. Irgendwo in diesem Saftladen
klingelte es.
    „...Aha...Ich glaub, Sie können jetzt gehen,
M’sieur. Guten Abend, M’sieur.“
    Ich stand wieder auf der Rue de la Lune. Die
Straße des Mondes lag verlassen da, kein Mensch, keine Katze, nicht mal der
Mond. Der Lärm der Boulevards wurde von dem abschüssigen Pflaster verschluckt.
Ein mächtiger Schatten vor dem dunklen Nachthimmel:
Notre-Dame-de-Bonne-Nouvelle erhob sich schützend, gleich neben der Spezial-Buchhandlung.
Marions Parfüm auf meinen Lippen bekam einen sündigen Beigeschmack. Ich ging
hinunter zu dem Laden mit den berühmten brioches , der jetzt natürlich geschlossen
hatte. Dann kehrte ich wieder um und postierte mich in einer Ecke gegenüber dem
Liebesnest. Ich wußte nicht, auf was oder auf wen ich wartete. Nach einer Weile
kam ein Mann heraus und ging pfeifend fort. Ein zufriedener Kunde. Kurz darauf
blieb ein anderer vor der Tür stehen, die sich wie durch ein Wunder öffnete.
Der neue Kunde hatte einen Koffer bei sich. Ein Transvestit, der seine
erotischen Accessoires mitbrachte. Davon gibt es mehr, als man glaubt. Die Zeit
verstrich. Vom Kirchturm schlug es halb eins. Ich stand mir weiter die Beine in
den Bauch. Da kam ein Auto die abschüssige Straße hoch, hielt vor der Bücherei.
Die Scheinwerfer waren ausgeschaltet, das Nummernschild nicht beleuchtet.
Niemand stieg aus. Drei Männer stürzten aus dem Puff in den Wagen, der sofort
losfuhr, blind, stumm. Mir schien, einer der Männer war etwas blaß in den
Kniekehlen. Die gestiefelten Damen in der Folterkammer hatten die Peitsche wohl
ganz schön kräftig geschwungen. Kann schon mal Vorkommen. Ich gähnte. Nichts
für Nestor. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Er konnte also genausogut
schlafen gehen. Pfeiferauchend und grübelnd ging ich zu Fuß in Richtung Büro.
Dort legte ich mich aufs Sofa. Bevor ich einschlief, kombinierte ich noch ein
wenig.
    Lévyberg war das Opfer eines
Erpressungsversuchs. Alles deutete darauf hin. Und Esther erwartete sicher von
mir — auch wenn sie es mir nicht eingestehen wollte —, daß ich rauskriegte,
weswegen er erpreßt wurde. Dann hatte sie ihn in der Hand. Ein sehr
harmonisches Familienleben! Die Fäuste waren schon

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