Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stoff für viele Leichen

Stoff für viele Leichen

Titel: Stoff für viele Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
geballt und warteten nur
darauf, in den Zähnen des andern zu landen. Léa, Etienne, Viviane und Yvette. Gute Nachrichten von Marceau. Der klassische Satz verkündete in aller Unschuld die Kapitulation. L.E.V.Y.... Lévy...
    Ich dämmerte hinüber, kombinierte aber weiter.
Nehme ich wenigstens an. Ein paar Stunden später nämlich wachte ich plötzlich
auf, als hätte ich eine Erleuchtung gehabt.
    Wenn L.E.V.Y. eine Bedeutung hatte, dann stand Gute
Nachrichten auch nicht umsonst da. Es handelte sich aber weder um
die Kirche noch um den Boulevard. Um mehrere Ecken kam mir Lemeunier in den
Sinn, einer der originellsten Halunken. Allgemein bekannter Erpresser, fast
völliger Analphabet. Konnte kaum seinen Namen schreiben und nur stockend lesen.
Ließ sein Revolverblatt von abgebrannten Journalisten oder armen Poeten
schreiben. Ansonsten nicht ohne Humor. Hatte seine Zeitung La Bonne Nouvelle, die Gute
Nachricht, genannt. Wenn ich wissen wollte, weswegen der reiche René Lévyberg
erpreßt werden sollte, dann war die Tür zum Büro des großen Lemeunier
zweifellos die richtige.

Falsche Töne
     
    Das Büro befand sich nur einen Katzensprung von
der Börse entfernt in der Rue Feydeau, in einem abbruchreifen, von Holzbalken
dauerhaft abgestützten Gebäude. Hier in der fünften Etage bewohnte Lemeunier sein
Reich: „Sprechzimmer“, Zeitungsredaktion, Privatwohnung, alles in einem. Von
seinem Fenster aus konnte er den Säulentempel sehen, den Ort seines Wirkens.
Die Opéra Comique im
Nordwesten inspirierte wohl seine „Kunden“ bei ihren Geschäften. Ich kannte den
komischen Vogel Lemeunier und sein Reich. Hatte ihm schon einmal erfolgreich
Angst eingejagt. Heute hatte ich dasselbe vor.
    Es war gerade erst acht Uhr. Auf nüchternen
Magen würde er besser zu bearbeiten sein. In dieser Herrgottsfrühe sah das
Gebäude in der ruhigen, friedlichen Straße gottverlassen aus. Geschäftsräume
für eher kümmerliche Firmen. Auf der breiten Treppe begegneten mir nur zwei
Putzfrauen. Die unebenen Stufen ächzten unter meinen Füßen. In der fünften
Etage herrschte absolute Stille. Der Krach der Rue de Richelieu und der Rue
Saint-Marc, die man nicht gerade einsam nennen kann, drang nicht bis hierhin.
Auf dem Schild an einer Tür las ich: La
Bonne Nouvelle, Zeitschrift für Börsennachrichten. Ich ging vorbei
und läutete an der Tür am anderen Ende des Flures: die Privatwohnung des
publizierenden Gauners. Nichts. Im Treppenhaus kämpfte eine der Putzfrauen
lärmend mit ihrem Eimer. Ich läutete noch einmal. Immer noch nichts. Ich spürte
eine sanfte Berührung an meinem Bein. Ein getigerter Kater sah mich mit seinem
einen Auge an und miaute freundlich. Einer von diesen Dachhasen, die ein
Hundeleben führen. Ich zeigte auf die stumme Tür.
    „Ist er in der Stadt, Angebote machen?“
    Der Tiger wußte es nicht. Strich auf dem
Treppenabsatz herum und miaute. Seine Pfoten hinterließen kleine feuchte
Abdrücke. War wohl einer Putzfrau in die Quere gekommen. Jetzt ging er zu der
anderen Tür und stieß mit der Schnauze daran. Die Tür öffnete sich lautlos, und
das Tier strich durch den Spalt. Ich folgte ihm in einen dunklen Korridor. Eine
weitere Tür, die nur angelehnt war. Der Kater spuckte und machte einen Satz
zurück. Das Fell sträubte sich. Der Schwanz wurde steif und buschig wie eine
Klobürste. Dann raste er raus, wobei er noch gegen meine Beine rannte.
    Ich ging ins Büro. Durch die Spalten der
geschlossenen Fensterläden kam etwas Licht. Man konnte ganz gut sehen. Ich
schloß die gepolsterte Tür hinter mir. Das Polster war zwar schon etwas locker,
ließ aber keinen Laut nach außen dringen. Wirksam schalldicht gemacht mit allen
verfügbaren Mitteln. Hier drin konnte man mit den Zähnen knirschen, drohen und
weinen. Nichts sickerte durch, nur der Schweiß von Lemeuniers Opfer. Und obwohl
man sich unter diesen Umständen keine Hitzewelle wünschte, hätte sie den fetten
Erpresser auch nicht mehr schwitzen lassen. Man hatte ihn kaltgemacht.
    Ich knipste das Licht an.
    Für einen Blutsauger hatte er gar nicht so sehr
viel Blut verloren. Trotzdem, mit Eisen hatte man bei ihm nicht gespart. Drei
Kugeln, auf den ersten Blick. Eine in die Brust, die zweite in den Hals, die
dritte ins linke Auge. Er sah aus wie der Kater von eben, genauso gerupft. Sein
behaarter Bauch schaute aus dem Morgenmantel, unter dem er nur eine Pyjamahose
trug. Ein Fuß steckte in einem Pantoffel, der andere war nackt und spiegelte
den Charakter des

Weitere Kostenlose Bücher