Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stoff für viele Leichen

Stoff für viele Leichen

Titel: Stoff für viele Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
den
Vorfall in einem Bistro spielen lassen, auf dessen Patron ich mich verlassen
konnte. Ich sagte Hélène, sie solle Reboul — der gleich aufkreuzen mußte —
damit beauftragen, mit ihm ein Alibi klarzumachen, das einer eventuellen
Überprüfung durch Faroux standhalten konnte. Dann rief ich Esther Lévyberg an:
    „Guten Tag. Hier Burma. Kann ich zu Ihnen
kommen?“
    „Zu jeder Tages- und Nachtzeit, wann Sie wollen.
Das wissen Sie doch, mein Lieber“, antwortete sie mit ihrer schönen,
gebrochenen Stimme.

Schlechter Stoff
     
    Im Hause Berglevy, Stoffe aller Art, wurden
immer noch keine Leute eingestellt. Vielleicht wurden sie sogar entlassen. Den
Platz des unsympathischen Wachhundes vom Vortag nahm jedenfalls ein junger
Bursche ein. Er beschränkte sich darauf, mir den Weg zu zeigen, den ich bereits
kannte. Esther erwartete mich in dem mit ihrem Plunder vollgestopften Salon.
Dasselbe Dämmerlicht. Ich setzte mich neben sie. „Was Neues?“ fragte sie.
    Um ihre dunklen Augen lag ein noch dunklerer
Schatten. Zuviel Lippenrot ließ ihre Unterlippe stark hervortreten.
    „Das wollte ich Sie fragen“, sagte ich. „Haben
Sie den anonymen Brief wiedergefunden?“
    „Nein. Er...“
    Ich unterbrach sie:
    „Schon gut. Reden wir offen miteinander, ja?
Gibt es den Brief oder nicht?“
    Sie tat entrüstet:
    „Es gibt ihn. Wer sagt Ihnen, daß...“
    Ich fuhr wieder dazwischen:
    „Was stand drin?“
    „Daß Georges sich rächen will.“
    „War’s seine Handschrift?“
    Sie machte eine ungeduldige Handbewegung.
    „Was weiß ich? ...Nein. Nicht die Schrift, die
ich von ihm gekannt habe... Aber sie kann sich mit der Zeit verändern.“
    „Die Handschrift von Georges Moreno kann sich
nicht mehr verändern. Moreno ist tot.“
    „Tot?“
    Ihre Überraschung schien nicht gespielt.
    „Seit 1937. In Spanien. Er kämpfte auf der Seite
der Republikaner. Die Franquisten haben ihn erschossen.“
    Ich ließ sie die Nachricht erst mal verdauen.
Nach einer bedrückenden Schweigeminute sagte sie:
    „Das wußte ich nicht... Sind Sie sicher?“
    Ich zuckte die Achseln:
    „Hundertprozentig sicher kann man nie sein. ‘Ne Menge
Soldaten da unten kämpften unter falschem Namen. Außerdem hab ich die
Angewohnheit, Leichen zu finden. Die hier ist eine Ausnahme. Ich hab sie nicht
mit eigenen Augen gesehen. Aber wenn er nicht im Spanischen Bürgerkrieg
erschossen worden ist, hätte ich irgendwie irgendwoher irgendeine Nachricht von
ihm gekriegt.“
    Sie lachte:
    „Hat er Ihnen von 1930 bis 37 Nachrichten
zukommen lassen?“
    „Nein.“
    „Also. Das beweist gar nichts.“
    Jetzt lachte ich:
    „Sie möchten gerne, daß er lebt, nicht wahr? Um
Ihrem Bruder Angst einzujagen, hm? Auch wenn Sie selbst dabei dran glauben
müssen, wenn’s hart auf hart kommt. Sie lieben Ihren Bruder wie sich selbst,
nicht wahr?“
    Sie überhörte die Frage. Ich bohrte weiter:
    „...Sie lieben ihn, wie man ein Steak oder ein
Hähnchen mag: blutig oder gut durchgebraten. Sie würden sogar mit ihm in die
Seine springen, gewissermaßen als Eisenkugel. Auch wenn Sie zusammen mit ihm
untergehen, stimmt’s?“ Ich tauchte in meine Flußbilder ein, ließ mich treiben
wie die Ertrunkenen, von denen ich soeben gesprochen hatte. Leise fügte ich
hinzu:
    „...Sie sollten mich mitschwimmen lassen.
Schenken Sie mir lieber reinen Wein ein. Sie haben mich bezahlt. Eigentlich, um
Sie vor Moreno zu beschützen. Moreno ist tot. Es gibt einen anonymen Brief.
Vielleicht auch nicht. Ich glaube, ich soll Ihren Bruder in Angst und Schrecken
versetzen, durch meine bloße Anwesenheit. Vielleicht haben Sie mich für einen
Gangster oder einen Kinderschreck gehalten. Irrtum. Immerhin hab ich was über
Ihren Bruder rausgefunden. Sie bezahlen mich, also sag ich Ihnen, was ich
rausgefunden habe.“ Interessiert beugte sie sich vor.
    „Was denn?“
    „Vorher möchte ich Sie noch was fragen: Hat er
Feinde? Ich meine nicht Moreno. Über den sollten wir nicht mehr reden. Das
führt uns in die falsche Richtung.“
    „Feinde?“ rief sie. „Wer hat die nicht? Er mehr
als jeder andere...“
    Ihre Augen blitzten auf.
    „Von Ihnen ist nicht die Rede“, sagte ich.
    Sie biß sich auf die Unterlippe. Das Lippenrot
färbte auf ihre Zähne ab.
    „Genausowenig wie von diesem Monsieur...Wie
heißt er noch gleich? Der Schwerhörige.“
    „Gérard Bonfils.“
    „Ach ja. Was ist mit ihm genau?“
    „Ich hab’s Ihnen doch erzählt. Sie haben sich in
diesem Lager kennengelernt. Bonfils

Weitere Kostenlose Bücher