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Stoff für viele Leichen

Stoff für viele Leichen

Titel: Stoff für viele Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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erfahren. Werd sie mal interviewen.“
    „Marion?“
    „Eine rothaarige Schönheit.“
    „Typ Rita Hayworth?“
    „Typ Porte Saint-Denis.“
     
    * * *
     
    Sobald ich im Büro war, rief ich das Bistro in der
Rue du Ponceau an und verlangte Marion. Wer? Martin. Der Kerl am anderen Ende
sagte mit kehliger Stimme, ich solle nicht auflegen. Ich legte nicht auf.
Gedämpfter Lärm drang an mein Ohr. Schließlich:
    „Hallo!“
    Marion.
    „Hier Martin“, sagte ich. „Von gestern abend.“
    Grundlos entrüstet, verzog Hélène das Gesicht
und legte die Hände auf ihre zarten Ohren.
    „Ach ja, sicher“, gurrte Marion. „Tag,
Schätzchen.“
    „Tag, Schätzchen. Können wir uns sehen?“
    „Wann?“
    „Heute.“
    Sie kicherte blöd.
    „So sehr gefall ich dir?“
    „Mißfällst mir nicht gerade. Hab ich dir doch
schon gesagt.“
    „Und bestimmt auch bewiesen“, redete Hélène
dazwischen.
    „Ich dachte, Sie hören nichts“, lachte ich.
    „Was erzählst du da?“ fragte Marion am anderen
Ende. „Nichts. Ich führ Selbstgespräche. Die Aufregung. Nun, klappt’s heute?“
    „Gut... äh... Sagen wir fünf Uhr?“
    „Die Uhrzeit für Ehebruch. Paßt mir gut. Wo um
fünf Uhr?“
    „Rue Montorgueil...“
    Sie sagte die Nummer. Ich notierte nichts,
wiederholte nur alles. Das reichte.
    „...Ich hab ein hübsches kleines Nest unter den
Dächern“, erläuterte sie. „Werd meinen Namen auf einen Zettel schreiben und an
die Tür hängen. Gar nicht zu verfehlen. Aber auch tatsächlich kommen, hm,
Schätzchen?“
    „Natürlich komm ich. Bis bald, Schätzchen.“
    Ich legte auf. Mein kleines Täubchen in dem
kleinen Nest! Werde kommen und dich rupfen, falls Federn da sind. Kleiner
Dummkopf! Na ja, ich bin drauf angewiesen.
    „Schätzchen!“ prustete Hélène. „Schätzchen hier,
Schätzchen da!“
    „Schätzchen in Amerika!“ alberte ich weiter.
    „Ich bin zu Tränen gerührt!“
    „Wie soll das denn ohne Schätzchen ablaufen? Und
erst mal in der Rue Montorgueil!“
    Hélène zuckte die Achseln, setzte sich an die Underwood und hackte wie ‘ne
Wahnsinnige drauf rum. Ich wußte, was sie schrieb. Wüste Beschimpfungen für Nestor.
Meine Sekretärin schmollte und grollte.
    Ich ging in mein Allerheiligstes und schloß die
Tür hinter mir. Ich mußte überlegen. Es kam aber nichts. Noch nicht mal
irgendein Lebenszeichen von Reboul oder Zavatter. Um vier Uhr herrschte immer
noch das große Schweigen. Ich dachte an meine Brieftasche, die leer war wie
mein Kopf. Ich steckte Geld ein für Marions Sparschwein. Etwas. Nicht zu viel.
Genug, um das Mädchen angemessen zu bezahlen, falls sie noch was anderes für
mich auf Lager hatte als eine gewagte Stellung. Dann setzte ich meinen Hut auf
und machte mich auf den Weg zu den versprochenen Genüssen, für den Mann und für
den Detektiv.
    „Auf Wiedersehen, Hélène“, sagte ich, als ich an
meiner Sekretärin vorbeiging.
    Die Schreibmaschine antwortete aus vollem Halse
für sie. Kein freundliches Wort für Nestor.

Hübsch in der Falle
     
    Daß eine Hure wie Marion in einem so alten,
heruntergekommenen Haus wohnte, war nur durch die allgemeine Wohnungsnot zu
erklären. Na ja, egal. Ich kam nicht wegen der Umgebung hierher. Niemand kam zu
ihr, weil er sich von der Umgebung angezogen fühlte.
    Die Concierge in ihrer Loge hinten im kleinen
Innenhof interessierte sich für nichts anderes als für die Schnulze, die aus
ihrem Radio dudelte.
    Ich ging die steile, saubere Treppe rauf, ohne
einer Menschenseele zu begegnen. Nur ein dicker Kater in der zweiten Etage lag
behaglich auf einer Stufe und ließ sich auch durch mich nicht stören. Ein
schwerer Brocken. Ich mußte über ihn hinwegsteigen und schielte ihn dabei böse
an. Seit heute morgen war ich diesen kratzenden Viechern gegenüber mißtrauisch.
In der Etage darüber lag aber keine Leiche. Also war das mal kein Leichenkater.
Oder es war nicht die richtige Uhrzeit dafür. In der obersten Etage war Musik
zu hören. Kein Radio. Schallplattenmusik. Kein Trauermarsch. Ein Walzer. Kam
hinter einer Tür hervor, an deren Rahmen ein Zettel hing. Darauf, mit
Lippenstift geschrieben, in flammend roten Buchstaben ein knalliges Marion.
    Die Musik verstummte. Stille, die fast sofort
wieder unterbrochen wurde. Eine durstige Türangel schrie nach Öl. Ganz hinten
in dem langen Flur stand eine Tür sperrangelweit auf. Ein Luftzug hatte sie
bewegt. Argwöhnisch neugierig ging ich hin und sah nach. Eine Art Rumpelkammer,
in die durch eine

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