Stoff für viele Leichen
bleiben, während sie
die Terrasse inspizierten. Als sie zurückkamen, wandte sich der Älteste an
mich. Privatdetektiv, Freund von Kommissar Faroux, das flößte dem Inspektor
Vertrauen ein. Pech für ihn. Ich konnte ihm leider nicht weiterhelfen. Hatte
meine Gründe dafür. Also befragte er die anderen Mitglieder der ehrenwerten
Gesellschaft. Am meisten sagte noch die Kellnerin aus, schluchzend und
stotternd:
„Mehr als
einen Monat hab ich M’sieur Victor nicht gesehen. Er schien nervös, ging dann
auf die Terrasse. Dann kam M’sieur Covet mit seinen Freunden. Alle waren hier
in der Bar. Keiner war auf der Terrasse. Nur M’sieur Victor... Ich brachte die
Getränke, und zwei von den Herren gingen auch auf die Terrasse. Sie waren aber
nicht lange draußen. Kamen sofort wieder rein.,Nichts wie weg’, haben sie
gerufen. ,Da ist so’n verrückter Akrobat auf die Straße gesprungen!’ Und wie
der Blitz waren sie weg.“
Während sich
der Inspektor einige Einzelheiten näher erklären ließ, zog Hélène mich beiseite.
„Diese
Männer...“, flüsterte sie mir zu. „Ich hab diese Männer gesehen, als sie aus
dem Gebäude kamen. Sie sind zu einem Wagen gestürzt, drei oder vier, in ihrer
Mitte noch einer. Zwei hab ich wiedererkannt. Die Zwei aus der Rue
Montorgueil.“
* * *
Marc Covet
sahen wir nicht mehr. Tagelang nicht. Als die Flics uns wieder laufenließen,
gingen wir direkt in die Agentur. Ich hatte keine Lust mehr, die arme Clo zu
besuchen. War jetzt wohl auch überflüssig.
„Also Hélène,
das waren die Kerle aus der Rue Montorgueil?“
„Ja.“
„Covets
Freunde! Das soll mir der amigo erst mal erklären. Zwischenbilanz:
Dieselben Männer, die mir den Mord an Marion in die Schuhe schieben wollten,
haben Marcellin von der Terrasse geworfen. Sie hatten recht, Hélène. Alle diese
Morde müssen was miteinander zu tun haben. Irgendwo treffen sie sich und
kriegen Kinder. Lüftet aber auch nicht den Schleier, hm? Zum Glück werden wir
endlich erfahren, was das für Dokumente sind, mit denen man Lévyberg erpreßt.
Immerhin eine Nuß weniger zu knacken.“
Ich zeigte
der überraschten Hélène die künstliche Iris:
„Bill Iris.
Ein blödes Wortspiel. Dazu noch schief. Bill ist die Abkürzung für William. Und
William Iris ist von der Aussprache her ähnlich wie…“
„...der Name des
Kriminalschriftstellers! William Irish...“
„Die
bevorzugte Literaturgattung unseres lieben Marcellin. Hielt sich für schlau.
Hier, fassen Sie mal diesen dicken Stengel an. Mit Draht umwickelt.“
„Ist da was
drin?“
„Klar. Das
fragliche Dokument, oder ein Hinweis darauf. Pech für Marcellin. Er hat mehrere
Blumen gebastelt und wußte dann nicht mehr, in welche er was reingetan hatte.
Ein ganz Schlauer, ich sag’s Ihnen. Als er sah, daß in den Blumen bei Clo
nichts drin war — deswegen war er so wütend! — , hat er hier nachgesehen, in
den Blumen, die er der Blonden geschenkt hatte. Sie waren noch nicht im Müll
gelandet. Ein Glück für Nestor. Er wird jetzt das Geheimnis der Iris lüften...“
Als vor uns
ein Haufen Stoff- und Papierfetzen lag, schickte ich Bill Iris und meine
gewagten Kombinationen zum Teufel. Die Blumen, die er mir vom Himmel geschickt
hatte, enthielt kein Dokument. Nichts.
Ich fluchte
endlos vor mich hin.
Als gelungene
Abwechslung schrie sich unter unserem Fenster ein Zeitungsverkäufer heiser:
„Extrablatt...
Sensation... Kaufen Sie den Crépu ..."
Ich ging
runter und kaufte ein Exemplar. Auf der Titelseite explodierte die Bombe von
Marc Covet, über deren Sprengstoff bis jetzt keiner hatte Auskunft geben
können. In riesigem Fettdruck konnte man lesen:
EXKLUSIVINTERVIEW
Staatsfeind?
Nein! ich bin eine Erfindung der Journalisten, erklärt der meistgesuchte
Gangster von Frankreich, Henri Péronnet, unserem Mitarbeiter Marc Covet.
Es ist Zeit, schrieb der
Schnaps-Journalist oder sein Chefredakteur im Vorspann, mit einigen Legenden
aufzuräumen. Ist Péronnet wirklich der gefährliche Gangster, als der er uns
geschildert wird? Unsere Leser sollen entscheiden. Jedenfalls stimmt es nicht,
daß man nicht an ihn herankommt! Unser Redakteur Marc Covet, bekannt für sein
Interesse für Kriminalfälle, hat, um objektive Berichterstattung bemüht,... usw.
Objektiv? Daß
ich nicht lache! Das Interview ging über drei Spalten, dichtgedruckt, und war
eine einzige Rechtfertigung und ein Plädoyer für den Gangster. Ein kleiner
Heiliger, ein unschuldiges Opfer.
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