Stolen Mortality
hier herumschlagen müssen.“
„Was meinst du? Die Kienshi? Ich weiß, dass die meisten anders drauf sind als ich. Du musst Schottland nicht verlassen, um auf wesentlich unfreundlichere Wächter zu stoßen. Und nicht zu vergessen: die Jäger. Auch von denen hat Schottland einige.“
„Ach, die Kienshi. Die sind nur ein Problem. Ich meine natürlich auch sie und andere Vampire. In erster Linie aber Menschen.“
„Menschen? Du fürchtest die Menschen?“
„Das wundert dich? In einigen Ländern ist unsere Existenz schon lange kein Mythos mehr. In den Regierungen gibt es Stellen, die von uns wissen. Es gibt Institute, Labore , in denen man versucht, die Geheimnisse um unsere Fähigkeiten zu entschlüsseln. Ich kenne einen Vampir, der solchen Versuchen zum Opfer gefallen ist, und obwohl ihm die Flucht gelang, hat es ihn zerstört. So will ich nicht enden.“
„Wenn sie es wissen“, murmelte Jamian verwirrt, „warum behalten sie es für sich? Warum warnen sie die Bevölkerung nicht?“
„Bist du so naiv, oder spielst du mir etwas vor? Es geht denen doch nicht darum, ein paar Hälse zu retten. Den wirklich gefährlichen Institutionen geht es um viel mehr. Geld und Macht sind die Schlüsselworte. Kannst du dir vorstellen, was es für eine Nation bedeuten würde, das Geheimnis unserer übermenschlichen Kräfte zu enträtseln? Stell dir eine Armee im Krieg vor, die über diese Kräfte verfügt. Über selbstheilende Wunden. Oder Unsterblichkeit. Es ist ein Wettstreit zwischen einigen Ländern, wie die Reise zum Mond es war. The winner takes it all. Was glaubst du denn eigentlich, Jamian, woher ihr Kienshi die Macht über die Unsterblichkeit habt?“
„Ich weiß.“ Er wusste es besser, als er je gewollt hatte. Dass sich sein Volk den Fluch der Vampire zu eigen gemacht hatte, um Unsterbliche zu schaffen, beschämte ihn. In ihren Laboratorien mussten Vampire Blut und Prana lassen, und meist blieb es nicht dabei. „Ich hatte nur gedacht, die Menschen seien …“
„Dümmer als ihr? Nicht in der Lage, uns zu enttarnen und für ihre Zwecke zu nutzen, wie es euch bereits gelungen ist?“
„Nicht dümmer. Besser.“
Laine lachte mokant. „Sei froh, dass sie zumindest dümmer sind, denn im Gegensatz zu euch ist es ihnen noch nicht gelungen, die Informationen, die sie über uns – oder über euch – haben, sinnvoll einzusetzen.“
„Über uns?“ Er konnte nicht verhindern, dass sein Pulsschlag an Tempo zulegte. „Du meinst die Kienshi?“
„Natürlich“, antwortete Laine kühl. „Auch Wesen, wie ihr es seid, wurden in ihren Laboren schon seziert. Wobei sie euch vermutlich für tagaktive Vampire halten. Wir würden euer kleines Volk sofort an die Menschen verraten, Wächter, wenn nicht zu befürchten wäre, dass sie durch euch genug Hinweise erhielten, um selbst widerstandsfähig gegenüber unseren Fähigkeiten zu werden. Und andersherum sieht es genau so aus, mein Lieber. So verfeindet unsere Völker auch sind: Den Menschen gegenüber sind wir auf einer Seite. Mit dem Unterschied, dass ihr sie schützt.“
„Sehr tröstlich.“ Er sprach sarkastisch, doch kalt ließen ihn diese Informationen nicht. Er fragte sich, warum der Senat nicht über diese Dinge informierte, und ob Laine überhaupt die Wahrheit sagte. Aber aus welchem Grund sollte sie lügen? Schon jetzt traute er ihr mehr als den dekadenten Kerlen, die seine Politik machten. Das war allerdings nicht schwer, kaum etwas verabscheute Jamian so sehr wie den Senat.
„Sie wissen es schon so lange“, erzählte sie weiter. Ihre Stimme war leise und bitter. „Kommst du nicht selbst drauf? Die Kirche mit ihrem Exorzismus, den Inquisitionen, Hexenverbrennungen.“ Nun hauchte sie die Worte nur noch und jedes einzelne ließ Jamian einen kalten Schau d er den Nacken hinunterlaufen . „Jedes Land hat seine Geschichten. Von uns sowie von euch.“
„Dann sei mal froh, im Hier und Heute zu leben. Dich hätten sie damals als Erstes auf den Scheiterhaufen gestellt. Vampir gut durch.“ Das Bild vor seinem inneren Auge erregte ihn auf seltsame Weise: Dieses tückische, wunderschöne Mädchen an einen Pfahl gefesselt. Das Haar zerzaust wie bei einer Windsbraut, den Blick wild dem wütenden Pöbel entgegengerichtet , der Atem schwer und hastig vor Furcht. Er schüttelte die Gedanken ab und strich sich die Haare zurück.
„Genug davon“, entschied Laine plötzlich überraschend sanft. „Wir sind ja im Hier und Heute. Was ist mit dir? Bist du je aus
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