Stollengefuester
Unglaublich ist das! Ich fahre jeden Winter ins Berner Oberland. Zum Skifahren, wozu denn sonst. Manchmal denke ich, was wohl unter meinen eleganten Schwüngen alles an Kostbarkeiten versteckt liegt. Ihr habt da ganze Räuberhöhlen und wisst von nichts!«
Er lachte, als ob er eben einen Witz zum Besten gegeben hätte. »Aber ich sage euch, wenn mein Land nicht so flach wäre, dann hätten auch wir einige Ideen! Aber der Kampf gegen das Wasser hält uns seit Jahrhunderten in Atem, leider, und das wird sich nie mehr ändern.«
So sehr ihn die Geschichte um die Raubkunst zu erheitern schien, so sehr stimmte ihn der Gedanke an den ewigen Kampf seines Landes gegen das Wasser nachdenklich.
Man musste ihn bei der Stange halten, diesen Amsterdamer Kollegen, er schweifte ab, wo sich die kleinste Möglichkeit bot.
»Da, hier ist noch etwas, was dich interessieren könnte.«
Nore Brand holte ihr Notizbuch hervor und legte die Seite mit den kyrillischen Zeichen vor Couperus auf den Tisch. Er beugte sich darüber und verstummte augenblicklich.
»Was ist das?« Er nahm den Zettel und las. »Potverdorie! Donnerwetter! Ich glaube …« Er las nochmals.
»Das muss ich mir …« Er begann, seine Taschen zu durchsuchen. »Wo habe ich bloß …«
Nino Zoppa schaltete sich eifrig ein.
»Ich hab es fotografiert. Ich kann’s dir schicken.«
»Ein MMS? Ja, unbedingt.«
Nore Brand holte den Edelstein hervor.
»Und das.«
»Was haben wir denn da? Darf ich?«
Couperus nahm den Edelstein vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt ihn gegen die Sonne. Erschrocken schloss er seine Faust und schaute sich um, wie einer, der fürchtet, beobachtet zu werden.
»Woher habt ihr das?«
»Aus einem kleinen Tresor.«
»Und wo ist dieser Tresor?«
»Hoffentlich immer noch in der Felsenkaverne beim Flugplatz Matten bei St. Stephan.«
Commissaris Couperus schnappte nach Luft.
»Ich hoffe, dass er noch nicht eingebunkert wurde.«
»Ja, sobald dieser Klimbim eingebunkert ist, ist es aus für uns. Dann kommt keiner mehr ran«, erklärte Nino Zoppa mit wichtiger Miene.
»Wer sagt das?«
»Hene Hari.«
»Hene Hari?«, wiederholte Couperus. »Und wer, bitte, ist das?«
»Unser Tresor-Experte«, sagte Nore Brand zögernd, »sozusagen unser informeller Mitarbeiter vom Flugplatz.«
»Dieser große Kerl mit Kriegsbemalung?«
»Du kennst ihn?«
»Ich habe mich da mal umgeschaut, vor etwa zehn Monaten vielleicht. Eine Spur führte uns in diese Gegend. Wir mussten die Sache abbrechen. Wir kamen nicht weiter. Obwohl ich mir so sicher war. Und jetzt kommt ihr zwei und zeigt mir die Fährte wieder.« Er strahlte über das ganze Gesicht. »Aber dieser kriegerische Flugzeugliebhaber ist so rein wie ein Kind. Ich habe lange mit ihm geredet. Über seine Flugzeuge natürlich. Ein toller Kerl. Und er hat immer Bier im Hangar.«
Rein wie ein Kind? Abgesehen von kleineren Bastelarbeiten an Banktresoren inklusive die eine und andere Geldentwendung, dachte Nore Brand, würde sie das unterschreiben können.
»Er kennt sich etwas aus mit Schlössern«, fügte sie hinzu.
»Ach so«, Couperus strahlte immer noch. »Das wusste ich damals nicht. Leider.«
Couperus schaute den Edelstein in seiner Hand nochmals prüfend an. »Steck den rasch wieder ein. Der macht mir richtig Angst. Ich kenne mich ein bisschen aus mit Edelsteinen. Ich bin in Antwerpen geboren und habe immer in Amsterdam gelebt, wenn ihr wisst, was ich damit sagen will. Kenne mich ein bisschen aus in der Welt der Edelsteine. Wenn ich mich nicht irre, dann ist das hier ein Alexandrit, mit einer hochgefährlichen Dosis Karat. Ein Sammlerstück. Unbezahlbar. Ich nehme an …« Er brach ab.
Nore Brand steckte das Steinchen zurück. »Ja, ich weiß. Nicht die ganze Geschichte, aber genug.«
»Der bringt euch in Lebensgefahr, wisst ihr das?«
»Ja.«
Commissaris Couperus blies seine Backen auf. Er schaute sehr besorgt auf die beiden. »An eurer Stelle würde ich nicht so rasch wieder zu dieser Kaverne fahren. Lasst euch etwas Zeit. Vielleicht finden wir noch die eine und andere Spur.«
»Wir haben keine Wahl.«
Er schaute sie zweifelnd an.
»Es muss sein«, sagte Nore Brand.
Sie hatte keine Zeit zu verlieren. Ihre Ferien gingen zu Ende. In ein paar Tagen war der Chef wieder zurück aus Locarno.
Jetzt ging es direkt in die Höhle des Löwen. Oder wer immer sie im Berg erwartete.
»Junger Mann, kannst du mir möglichst rasch ein gutes Bildchen machen davon, von diesem Steinchen,
Weitere Kostenlose Bücher