Stolz und Verfuehrung
geschlossener Tür hatte Em ihre Geschichte erzählt.
Zu ihrer Erleichterung schien Lucifer eher geneigt, sich auf das eigentliche Thema zu konzentrieren. »Der Schatz befindet sich also nicht im Gutshaus. Zugegeben, der Ausdruck Haus des Höchsten ist mir niemals in Verbindung mit dem Gutshaus oder dem Herrenhaus zu Ohren gekommen. Aber sind Sie ganz sicher, dass der Schatz tatsächlich nicht hier versteckt ist? So weit mir bekannt ist, haben wir keine Keller, aber es gibt ausgedehnte Nebengebäude.«
Em zog eine Grimasse. »Dies hier war der Sitz der Familie. Aber die Verse scheinen ausdrücklich auf einen anderen Ort zu verweisen.«
Jonas nickte. »Wenn der Schatz sich wirklich hier befinden würde, gäbe es die Verse vermutlich nicht. Es hätte keine Notwendigkeit für sie gegeben, vor allem nicht für den Hinweis auf ein bestimmtes Haus.«
Lucifer nickte. »Nur zu wahr. Der Schatz befindet sich also weder im Gutshaus noch im Herrenhaus. Außerdem haben Sie bereits festgestellt, dass Ballyclose wegen des Alters ebenfalls ausscheidet. Was bleibt uns dann noch?«
Eine Frage, die niemand beantworten konnte.
Lucifer lehnte sich nach vorn, blickte aufmerksam in die Runde. »Korrigiert mich, wenn ich mich irre. Aber wir sind auf der Suche nach einem Haus, das es hier im sechzehnten Jahrhundert schon gegeben hat. Wann es erbaut wurde, wissen wir nicht. Um sechzehnhundert ist es als Haus des Höchsten bekannt gewesen, womit vermutlich die Person gemeint war, die damals in der Gegend das höchste Ansehen genoss.«
»In dieser Gegend hat es niemals Besitztümer eines Prinzen oder irgendwelche königlichen Residenzen gegeben.« Phyllida schaute Lucifer an. »Vor langer Zeit, als ich noch ein kleines Mädchen war, habe ich mich damit beschäftigt.«
»Könige und Prinzen sind der Stoff, aus dem die Mädchenträume sind.« Jonas blickte seine Schwester, die sein Lächeln überlegen erwiderte, spöttisch an.
Lucifer schüttelte den Kopf. »Ich denke immer noch über die Formulierung Haus des Höchsten nach. Um sechzehnhundert muss es sich bei Colyton um eine kleine, relativ isolierte Gemeinde gehandelt haben, und die Formulierung klingt so, als sollte es ganz offensichtlich sein, welches Haus damit gemeint ist. Zumindest für die damals Ortsansässigen.«
Schweigend dachte Phyllida über Lucifers Einwand nach, bevor sie sich an Em wandte. »Sie haben doch schon einige unserer Bücher durchgeblättert und nirgendwo einen Hinweis auf dieses geheimnisvolle Haus entdeckt. Wir sollten die restlichen Bücher durchsehen.« Sie blickte zu Jonas und Lucifer hinüber. »Es wird uns vier nicht viel Zeit kosten. Nicht wenn wir uns auf die Zeit um sechzehnhundert beschränken.«
Die übrigen drei wechselten Blicke und nickten. Lucifer erhob sich und ging voran in die Bibliothek.
In der nächsten Stunde sahen sie die Sammlung durch, fanden eine Reihe von Reisetagebüchern, die Colyton zu jener Zeit beschrieben, und zwei Erwähnungen des Dorfes aus dem frühen sechzehnten Jahrhundert. Aber außer dem Gutshaus und dem Herrenhaus wurde nirgendwo ein weiteres großes Haus erwähnt, und es gab keinerlei Hinweis auf ein Haus des Höchsten.
»Nichts.« Em seufzte. Sie hatte inständig gehofft... schluckte ihre Enttäuschung hinunter und wandte sich an Jonas. »Was jetzt?« Ihr Blick fiel auf Phyllida und Lucifer. »Irgendwelche
Vorschläge?«
Lucifer schien ebenso ratlos wie Jonas und sie. Phyllida hatte nachdenklich den Kopf gesenkt, schaute dann aber auf und suchte Ems Blick. »Ich an Ihrer Stelle würde dafür sorgen, dass Ihr echter Familienname bekannt wird. Damit können Sie sich die Unterstützung der Einheimnischen sichern und sich mit dieser Unterstützung im Rücken im Dorf umhören, besonders unter den älteren Leuten. Vielleicht hat irgendjemand den Ausdruck Haus des Höchsten schon einmal gehört. Mit etwas Glück finden wir jemanden, für den die Worte eine Bedeutung haben. Andere können vielleicht Geschichten erzählen, die über Generationen in der Familie überliefert worden sind. Wir könnten jemanden finden, der den gesuchten Ort in einem anderen Zusammenhang kennt.«
Jonas nickte, schaute Em an. »Ich stimme diesem Vorschlag zu. Lassen Sie die Menschen wissen, wer Sie wirklich sind.«
Em runzelte die Stirn. »Wie soll ich es nur entschuldigen, dass ich unsere Herkunft anfangs verschleiert habe?«
»Das ist einfach«, meinte Phyllida. »Sie wollten den Job als Gastwirtin, um von den Dorfbewohnern für das
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