Stolz und Verfuehrung
von Miss Hellebores Flauschen zurückgekehrt, doch in seinem Zimmer dort war er auch nicht.«
»Vermutlich wandert er über die Wiesen und grübelt über sein schlechtes Benehmen nach.«
Sie stieß ein Schnauben aus. »Eine schöne Vorstellung, aber sehr unwahrscheinlich.«
Ernüchtert blickte Jonas sie an. »Falls er zurückkehrt ...«
»Oh, das wird er, aber so etwas wird er nie wieder versuchen. Ich rechne damit, dass er zurückkehrt, vorgibt, zerknirscht zu sein, und sein Anliegen erneut vorbringt. Aber das ist auch schon alles.« Sie schwieg kurz. »Nichts, womit ich nicht zurechtkommen würde.«
Jonas presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. »Versprich mir, dass du mir Bescheid gibst, falls es doch noch Schwierigkeiten gibt.«
Em zögerte. Es fühlte sich seltsam an, fremd und irgendwie nicht richtig, jemandem zu versprechen , ihn um Hilfe zu bitten.
Er musterte sie aufmerksam. »Vergiss nicht, ich habe dafür gesorgt, dass du die kleinen Teufel wieder in die Arme schließen kannst.«
Em fing seinen Blick auf, las in seinen tiefbraunen Augen, dass er die feste Absicht hatte, ihr zumindest dieses Versprechen abzuringen. Seit ihrer ersten Begegnung hatte er diesen Beschützerdrang gezeigt. Er schien ihm angeboren, ein wesentlicher Teil von ihm zu sein. Ohne diesen Drang konnte sie sich ihn schwerlich vorstellen.
Sein Vorschlag fühlte sich zwar immer noch seltsam an, aber zustimmend senkte sie den Kopf. »Einverstanden. Ich werde es dich wissen lassen, falls weitere Schwierigkeiten auftauchen.«
Ihre Antwort stellte ihn sichtlich zufrieden. Er entspannte sich und winkte Phyllida zu sich herüber. Em wollte davoneilen, aber Jonas ergriff ihre Hand und zog sie mit sich zu seiner Schwester.
Viel später, als das Fest zu Ende war und alle Gäste sich auf den Heimweg gemacht hatten, folgte Jonas ihr die hintere Treppe hinauf zu den Zimmern im zweiten Obergeschoss, die ihre Geschwister bewohnten.
Die Zwillinge, die nach der Tortur vollkommen erschöpft waren, waren um neun Uhr nach oben verschwunden. Issy und Henry, nach den Ereignissen des Tages ebenso müde, hatten sich vor einer Stunde zurückgezogen. Em ging an zwei Zimmern mit verschlossenen Türen vorbei zum letzten Zimmer auf dem Korridor.
Die Tür war nur angelehnt. Drinnen flackerte das Licht einer Kerze, Em schob die Tür etwas weiter auf und spähte ins Zimmer.
Am anderen Ende des Raums erkannte sie die zwei Betten, die mit dem Kopf zur Wand standen. In jedem lag ein schlafender Engel.
Jonas betrachtete den Anblick über Ems Kopf hinweg und hörte sie leise seufzen, ein sanftes Geräusch, in dem sich Erleichterung, Liebe und Zufriedenheit mischten.
Die Zwillinge hatten im Schlaf ihre Decken fortgestrampelt. Auf Zehenspitzen schlich Em ins Zimmer, packte jedes Kind wieder wohlig in seine Decke ein und drückte einen leichten Kuss auf jede Stirn.
Mit der Schulter an den Türrahmen gelehnt und die Hände in den Taschen, schaute Jonas ihr zu. Sah ihre Liebe und die Fürsorge, die in jede Berührung, in jeden stummen Blick einfloss.
Der Wunsch, mehr noch, das Verlangen erfasste ihn, sie seinen eigenen Sohn oder seine Tochter mit diesem Blick allumfassender Liebe betrachten zu sehen. Mächtig und schneidend hielt das neue Gefühl ihn fest.
Zufrieden verließ Em ihre schlafenden Schwestern und drehte sich zu ihm, signalisierte ihm mit einem Finger an ihren Lippen zu schweigen. Dann scheuchte sie ihn mit einer Handbewegung zurück auf den Flur, verließ selbst den Raum und zog die Tür heran, bis sie beinahe geschlossen war.
Lächelnd ging Em an ihm vorbei. Schweigend traten sie den Rückweg an und eilten wieder die Treppe hinunter. Im ersten Stock öffnete sie die Tür zu ihren Räumen und ging in ihr Schlafzimmer.
Jonas folgte ihr und ergriff ihre Hand. Em lächelte ... und schmiegte sich in seine Arme, schmiegte sich an ihn und schlang die Arme um seinen Nacken, stellte sich auf Zehenspitzen und küsste ihn.
Innig. Freizügig. Offen und freigiebig.
Unwillkürlich schloss Jonas die Hände um ihre Taille. Es dauerte einen Moment, bis er ihr Geschenk genießen konnte. Gerade wollte er die Führung übernehmen, wollte sie noch leidenschaftlicher küssen, als sie sich zurückzog.
Em senkte sich auf die Fersen herab. Noch im Dämmerlicht glänzten ihre Augen. »Danke«, flüsterte sie lächelnd.
Jonas musterte sie aufmerksam, zog die Brauen hoch. »Ich will deinen Dank nicht.« Er drängte sich noch näher, barg sie noch sicherer
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