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Stolz und Verlangen

Stolz und Verlangen

Titel: Stolz und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Day
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hatte absolut nichts Bedrohliches an sich, aber dennoch empfand er es so. Er erinnerte sich wieder daran, wie Eliza ihm von ihren plötzlich aufgetretenen feindseligen Gefühlen gegenüber Miss Tolliver erzählt hatte, und er bewunderte sie für ihre Aufrichtigkeit.
    Als er nur noch wenige Fuß entfernt war, entdeckte sie ihn. Dank ihres ausgeschnittenen Dekolletés sah er, wie ihre Brüste wogten, als sie nach Luft schnappte, und sich eine zarte Röte über ihrer sahneweißen Haut ausbreitete. Sie war von seinem Anblick sichtlich überwältigt, obwohl er nichts getan hatte, um diese Reaktion bei ihr zu provozieren.
    Vor dem Kreis ihrer Bewunderer blieb er stehen, worauf man ihm mit deutlichem Widerwillen den Weg freimachte.
    »Miss Martin.«
    Sie sah nach unten und knickste. »Guten Abend, Mr. Bond.«
    Jasper stellte Westfield vor und zog sich dann in den Hintergrund zurück. Eine Weile beobachtete er sie einfach nur in dieser neuen Umgebung, lächelte in sich hinein, als sie die anderen Männer durch ihre unverblümte Art kurz aus dem Konzept brachte. So dramatisch ihre äußere Veränderung auch war, sie war immer noch Eliza. Während die Männer lebhaft über den gefährlichen Zwischenfall in der Royal Academy diskutierten, runzelte sie die Stirn und biss sich auf die Unterlippe, als könnte sie die ausgeschmückten Geschichten beim besten Willen nicht mit der Realität in Einklang bringen. Sie schaute oft in Jaspers Richtung, denn seine Anwesenheit schien sie zu trösten. Er entsann sich, wie auch sie ihm durch ihre bloße Anwesenheit manche Situationen erleichtert hatte.
    Im Grunde waren sie beide gar nicht so verschieden. Zwischen ihnen bestand eine Verbundenheit, die jenseits oberflächlicher Konventionen lag.
    Um Jasper eine angemessene Schulbildung zu ermöglichen, hatte seine Mutter dafür mit ihrem Stolz und ihrem Leben bezahlt. Er hatte gegen die Ausgaben protestiert, da er wusste, welchen Preis es sie kostete, doch sie ließ sich nicht beirren. Am Ende hatte er nur deshalb zugestimmt, weil er dadurch die Möglichkeit erlangen würde, sie später zu unterstützen, allerdings nicht aus dem Grund, der für seine Mutter vorrangig war – um seinen Erzeuger zu beeindrucken, einen Mann, der seine zahlreichen illegitimen Kinder kaltherzig ignorierte.
    Jasper gab dem Opium die Schuld dafür, dass seine Mutter die Sinnlosigkeit ihres Wunsches nicht erkannte. Kein halbwegs vernünftiger Mensch hätte sich an den Traum geklammert, dass ein hübscher Sohn mit guter Ausbildung und Erziehung die Zuneigung und den väterlichen Stolz in einem so verkommenen Subjekt wie dem damaligen Earl of Montague erwecken könnte. Ja, Jasper war wohlerzogen, wortgewandt und verfügte über ein ausgeprägtes Stilempfinden. Er konnte lesen und schreiben. Er war in Mathematik bewandert, wenngleich ihm Elizas Liebe für Zahlen fehlte. Kurzum, er sollte sich in der gehobenen Gesellschaft heimisch fühlen, aber das tat er nicht. Und er wusste, dass es Eliza genauso ging.
    Die Eröffnungsmelodie einer Geige ertönte, zeigte das Ende der kurzen Orchesterpause an. Die Gäste begannen sich in der Mitte des Parkettbodens zu versammeln. Eliza warf Jasper einen langen, beredten Blick zu, der ihm verriet, dass sie nun den Tanz tanzen würde, der eigentlich ihm gehörte.
    Sie betrat den Tanzboden mit Sir Richard Tolliver. Gebannt beobachtete Jasper, wie sie mit eleganter Grazie durch den Raum schwebte. Die Röcke ihres saphirblauen Kleides waren bauschiger als die der anderen Frauen. In Jaspers Augen war das ein Stil, der perfekt zu ihr passte. Sie hatte auch sonst mehr Seiten und Facetten an sich als andere Frauen.
    Nun erklangen die Eröffnungstakte des Walzers. Eliza trat näher an Tolliver heran und ergriff seine Hand. Mit einem vollendeten Schwung und perfekt gesetzten Schritten wirbelte er sie herum.
    Jasper runzelte die Stirn und dachte nach. In der Ausstellungshalle waren zwei Tollivers gewesen. Sie hatten den Raum kurz nach Eliza verlassen und waren in ihre Richtung gegangen. Auf Elizas Verehrerliste stand Tollivers Name über dem von Montague, unter anderem deshalb, weil Tolliver eine Schwester hatte, die eine gute Mitgift benötigte, um sich eine vorteilhafte Partie zu sichern.
    Suchend sah Jasper sich um. Tollivers Schwester konnte nicht weit entfernt sein. Er musste sie nur finden.

6. Kapitel
    »Sie sind heute Abend wunderschön, Miss Martin«, sagte Sir Richard, als sie mit den anderen Paaren durch den Saal tanzten.
    »Danke.«

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