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Stoner: Roman (German Edition)

Stoner: Roman (German Edition)

Titel: Stoner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Williams
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dass ihm seine Entscheidung abgenommen worden war. Er hatte zu lange gewartet, um Walker noch unterbrechen zu können, sodass der nun ungestört vorbrachte, was er zu sagen hatte.
    »… das monumentale Bauwerk, welches die Literatur derRenaissance darstellt, ein Bauwerk, das den Eckstein der großen Dichtkunst des 19. Jahrhunderts bildet. An Beweisen, der eintönigen Gelehrsamkeit so wohlvertraut wie der Kritik fremd, herrscht gleichfalls trauriger Mangel. Denn welcher Beweis wurde erbracht, dass Shakespeare tatsächlich diesen obskuren römischen Grammatiker gelesen hat? Wir sollten uns in Erinnerung rufen, dass es Ben Jonson war –«, er zögerte kurz, »– dass es Ben Jonson selbst war, Shakespeares Freund und Zeitgenosse, der über ihn sagte, er könne kaum Latein und noch weniger Griechisch. Und Jonson, der Shakespeare auf eine an Vergötterung grenzende Weise verehrte, wollte seinem Freund gewiss keinen Mangel unterstellen. Im Gegenteil, er deutete damit an – und dem möchte ich mich anschließen –, dass die erhabene Lyrik Shakespeares sich nicht dem mitternächtlichen Schein einer Petroleumlampe, sondern seinem angeborenen Genie verdankte, das hoch über allen Regeln und dem profanen Gesetz stand. Anders als mindere Poeten wurde Shakespeare nicht geboren, um ungesehen zu erröten und seinen Liebreiz in der Wüstenluft zu vergeuden; denn was brauchte der unsterbliche Barde solch lähmende Regeln, wie sie in einer schnöden Grammatik stehen, da er doch Anteil an jener geheimnisvollen Quelle hatte, der alle Dichter sich Stärkung heischend zuwenden? Was hätte ihm Donatus denn bedeuten können, selbst wenn er ihn gelesen hätte? Das Genie, einzigartig und nur sich selbst Gesetz, bedarf keiner Unterstützung durch eine solche ›Tradition‹, wie sie uns beschrieben wurde, leite sie sich nun aus dem Lateinischen her, von Donatus oder sonstwo. Das erhabene, freie Genie muss …«
    Nachdem er sich mit seinem Ärger abgefunden hatte, spürte Stoner, wie ihn eine widerwillige, geradezu abwegigeBewunderung überkam. Mochte der Mann noch so blumig und waghalsig argumentieren, waren seine rhetorischen und innovativen Fähigkeiten doch auf bestürzende Weise beachtlich, und seine Anwesenheit war real, auch wenn sie ihm geradezu grotesk erschien. In seinem Blick lag etwas Kaltes, Berechnendes und Wachsames, etwas unnötig Rücksichtsloses und doch verzweifelt Vorsichtiges. Stoner begriff, dass er einen so kolossalen wie kühnen Bluff erlebte und unmittelbar nicht wusste, wie er damit umgehen sollte.
    Denn selbst für den unaufmerksamsten Studenten war es offenkundig, dass Walker seinen Vortrag gänzlich aus dem Stegreif hielt. Stoner bezweifelte, dass er auch nur annähernd wusste, was er sagen wollte, als er sich vor dem Seminar an den Tisch setzte und die Studenten auf seine kalte, herrische Weise musterte. Gleichfalls war nicht zu übersehen, dass der Stapel Papiere vor ihm auf dem Tisch nichts mehr als eben nur ein Stapel Papiere war; sobald Walker sich in Fahrt geredet hatte, gab er nicht einmal mehr vor, hin und wieder einen Blick darauf werfen zu müssen, und gegen Ende seiner Rede schob er die Papiere in seiner Aufregung und Inbrunst vollends beiseite.
    Er redete fast eine Stunde lang. Zum Ende hin warfen die Studenten einander besorgte Blicke zu, beinahe, als schwebten sie in Gefahr oder sännen über Fluchtmöglichkeiten nach; und sie mieden es sorgsam, zu Stoner oder der jungen Frau hinüberzusehen, die so reglos an seiner Seite saß. Als spürte Walker diese Unruhe, brachte er seinen Vortrag beinahe abrupt zu Ende, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und lächelte triumphierend.
    Im selben Moment, in dem Walker aufhörte zu reden, erhob sich Stoner und entließ das Seminar; und auch wenner es damals nicht wusste, trieb ihn dazu ein vages Gefühl der Rücksicht auf Walker, da er nicht wollte, dass jemand Gelegenheit bekam, über das soeben Gehörte öffentlich zu diskutieren. Anschließend trat Stoner an den Tisch, an dem Walker saß, und bat den Studenten, noch einen Moment zu bleiben, woraufhin Walker so reserviert nickte, als wäre er in Gedanken woanders. Stoner drehte sich um, um einigen Nachzüglern hinaus auf den Flur zu folgen. Als er sah, wie Katherine Driscoll allein aufbrechen wollte, rief er ihr nach. Sie blieb stehen, und er ging zu ihr, doch kaum begann er zu sprechen, fühlte er sich erneut so verlegen wie letzte Woche, als er sie zu ihrer Arbeit beglückwünscht hatte.
    »Miss Driscoll,

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