Stop Me - Blutige Botschaft (German Edition)
hinter seiner Einladung steckte. “Na gut, also, das ist großartig. Aber Mom liegt im Sterben. Das weißt du doch, oder?”
Die angenehme Vorstellung, was für ein entsetztes Gesicht seine Schwester machen würde, wenn sie seinen Gefrierschrank öffnete, verblasste. “Ich weiß, dass sie krank ist.”
“Und das schert dich einen Dreck.”
Was ging ihn das an? “Sie hätte mich fast totgeschlagen.” Was immer sie durchmachte, sie hatte es verdient.
“Zu mir war sie auch nicht besonders nett. Aber ich schätze, das weißt du nicht mehr.”
Er erinnerte sich, dass sie zu Valerie nicht halb so gemein gewesen war. Sie hatte Valerie gebraucht. Valerie hatte sich um sie gekümmert, genauso wie um ihn, sodass seine Mutter sich nicht mit ihm abgeben musste. Valerie durfte alles, und sie wusste, wie man sich durchschlug.
“Ich bin nicht hier, um mich mit dir über die Vergangenheit zu streiten. Was geschehen ist, ist geschehen, und daran lässt sich nichts mehr ändern.”
“Wie verständnisvoll”, murmelte er.
“Selbstmitleid wird dich auch nicht weiterbringen.” Sie wischte einen imaginären Staubfleck auf ihrer Uniform weg. “Sie sagt, du hättest sie nicht ein einziges Mal besucht.”
“Ich will sie nicht sehen.”
“Sie war keine perfekte Mutter, aber sie ist immer noch deine Mutter.”
“Und du bist immer noch meine Schwester, aber deshalb kann ich dich noch lange nicht ausstehen.” Er hatte es nicht erwarten können, diese Worte auszusprechen, aber jetzt, wo sie draußen waren, war er ebenso schockiert wie sie. Aber zugleich fühlte er sich auch ermutigt. Vielleicht war es die Erinnerung an seinen letzten Mord, die Erinnerung an diese Macht , die er besessen hatte. Es war so berauschend gewesen, dass er leichtsinnig geworden war.
“Was sagst du da?” Ihr Mund stand offen. Es war fast so gut, als wenn sie in den Gefrierschrank geblickt hätte.
Fast. Aber nicht ganz.
“Du hast ganz richtig gehört.”
“Eine feine Art sich zu bedanken, nach allem, was ich für dich getan habe”, sagte sie. “Hast du überhaupt irgendeine Ahnung, was ich aufgegeben habe, um dafür zu sorgen, dass du alles bekommst, was du brauchst?”
Ungläubig fing Gruber beinahe an zu kichern. Sie hatte ihm nie gegeben, was er brauchte. Niemand hat es je getan. Aber der alte Gruber in ihm zögerte plötzlich, seinen Vorteil zu nutzen. “Ich habe einen Witz gemacht”, murmelte er und versuchte, die Emotionen zu zügeln, die in seinem Inneren einen Aufruhr veranstalteten.
“Sehr witzig. Aber du wusstest ja noch nie, wie man Freundschaften schließt und Menschen für sich einnimmt.” Sie war wieder ganz in ihrem Element und verbuchte erneut einen Punkt für sich. “Warum kann ich nicht einen normalen kleinen Bruder haben? Vielleicht wäre mein Leben dann nicht so eine Hölle.”
Wie oft hatte er das schon gehört? Diese Worte waren der Grund dafür, dass er mit dreizehn ihre Katze getötet und in ihren Rucksack gesteckt hatte, den sie auf der Veranda stehen gelassen hatte. Sie hatte ihre Rivalin in der Schule hinter dieser Tat vermutet, ein Mädchen, das sie ständig wegen ihrer Armut aufgezogen hatte. Valerie hatte nie herausgefunden, dass er es gewesen war. Ihre Tränen an jenem Abend hatte er genossen. Sie hatte eine Strafe verdient. Er gab den Menschen nur, was sie verdienten.
“Bist du darum hergekommen?”, fragte er. “Um mich davon zu überzeugen, Mutter zu besuchen, damit es zu einem tränenreichen Abschied kommt, während sie auf die Himmelspforte zuschreitet?”
“Ich mache mir keine Illusionen, dass sie auch nur in die Nähe des Himmels kommen könnte. Eine Frau, bei der sich die Männer so die Klinke in die Hand gegeben haben wie bei ihr, kann nicht darauf hoffen. Manchmal hasse ich sie genauso sehr wie du. Aber ich denke auch an später. Wenn wir es jetzt nicht tun, haben wir vielleicht nie mehr die Chance, unseren Frieden mit ihr zu machen.” Sie musterte ihn einen Moment, dann stieß sie einen tiefen Seufzer aus. “Und ich dachte, es könnte dir vielleicht helfen, mit dir klarzukommen, wenn du endlich das Kriegsbeil begräbst.”
“Das ist nicht nötig. Ich bin glücklich mit meinem Leben.”
“Glücklich?” , spottete sie. “Wie kannst du glücklich sein? Du bist vierzig Jahre alt, hast keinen Freund auf der Welt und lebst in einer Bruchbude.”
Gruber wusste nicht, was genau ihn provoziert hatte. Seine Schwester behandelte ihn genau so, wie sie es immer getan hatte. Doch dieses
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