Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
Aus dem Wohnzimmer drangen die Reaktionen von Dave und seinem Vater an mein Ohr – Stöhnen, Klatschen, gelegentlicher Jubel –, in der Küche roch es nach Rührei, und alle diese Sinneswahrnehmungen zusammengenommen führten dazu, dass ich mir vorkam, als wäre ich wieder in Tyler, in unserem alten Haus, in meinem alten Leben. Ich nahm mir
noch
mehr Zeit.
Als ich ins Wohnzimmer zurückkehrte, waren in der laufenden Halbzeit noch fünf Minuten zu spielen. Ich stellte die beiden Teller und die Küchenrolle, die ich mitgebracht hatte, vor Dave und seinen Vater auf den Beistelltisch. Es war bloß Rührei mit Toast. Aber wenn es rein nach ihrer Reaktion gegangen wäre, hätte man meinen können, ich hätte ihnen ein üppiges Festmahl serviert.
»Du meine Güte!«, flüsterte Mr Wade und schob unauffällig den Teller mit dem bloß zur Hälfte gegessenen Stück Tofuhackbraten zur Seite. »Ist das etwa … Ist das
Butter
?!«
»Ich glaube ja«, meinte Dave. »Irre! Sieh dir an, wie locker und gelb dieses Rührei ist!«
Sein Vater pflichtete ihm bei. »Kein Vergleich zu Neiern.«
»Neier?«, fragte ich.
»Nicht-Eier«, erklärte Dave mir. »Eierersatz. Das, was es bei uns daheim gibt.«
»Was ist da denn drin?«, fragte ich. Mr Wade nahm einen ersten Bissen. Schloss die Augen, kaute langsam und genüsslich, wirkte so zufrieden, beinahe ekstatisch, dass ich wegschauen musste.
»Jedenfalls keine Eier«, erwiderte Dave und atmete selig durch. »Schmeckt super, Mclean. Vielen Dank.«
»Ja, danke!«, meinte sein Vater bekräftigend und häufte einen Riesenbatzen Rührei auf seine Gabel.
Ich lächelte, während gleichzeitig das Match zurück auf den Bildschirm kam. Die Spieler waren bereits in Bewegung, mit
Defriese
in Ballbesitz für einen Tempogegenstoß. Zufällig in der Nähe der Trainerbank nahmen die Spieler das Tempo jedoch etwas raus, sodass auch die Kamera für einen Moment langsamer schwenkte und ich Peter sowie meine Mutter hinter ihm wieder deutlich sehen konnte. Während
Defriese
seinen Angriff fortsetzte, holte Mom ihr Handy hervor, klappte es auf, tippte auf zwei, drei Tasten – aha, Kurzwahl – und hielt es sich ans Ohr.
Intuitiv drehte ich mich um, blickte zu meiner Handtasche, die neben dem Sofa auf der Erde lag. Und wunderte mich nicht, als im Inneren nun mehrfach hintereinander ein Licht aufleuchtete. Ich nahm mein Handy heraus und den Anruf an. »Hallo?«
»Hallo, mein Schatz.« Wegen des typischen Arenalärms um sie her musste sie ziemlich brüllen. »Ich hatte gerade eine Idee, wegen unserer Fahrt morgen. Hast du einen Moment Zeit?«
Dave und Mr Wade brachen in lauten Jubel aus – sogar ihre Teller, die sie auf dem Schoß hielten, hüpften scheppernd auf und ab –, denn das
U
-Team hatte den Ball zurückerobert und machte, dass es zum gegnerischen Korb kam. In der unmittelbaren Umgebung meiner Mutter hingegen war die Reaktion deutlich verhaltener.
»Ehrlich gesagt, äh, habe ich Besuch. Wir essen gerade«, antwortete ich.
»Wirklich?« Sie klang total überrascht – damit hätte sie wohl nie gerechnet. »Ach so … tja, dann melde ich mich später noch mal. Einverstanden?«
»Cool«, erwiderte ich und schaute dabei zu Dave, der gerade genüsslich in seinen Toast biss, meinen Blick erwiderte, mich anstrahlte. Echtes Brot, echte Butter. Alles echt. »Bis bald.«
Dreizehn
An jenem Abend wollte ich unbedingt wach bleiben, bis Dad heimkam, weil ich ihm wegen der Stadträtin und dem, was ich am Nachmittag bei der Besichtigung des Modells zwischen ihm und ihr beobachtet hatte, gern ein paar Fragen gestellt hätte. Wobei ich mir nicht sicher war, ob ich die Antworten überhaupt hören wollte. Nichtsdestotrotz versuchte ich bewusst, mich zu beschäftigen, um nicht einzuschlafen. Packte meine Reisetasche für die morgige Fahrt in die Ferien mit Mom – juchhu! – mehrmals ein und wieder aus und verdrängte dabei, so gut es ging, die vielen Male, in denen ich auf ähnliche Weise Klamotten zusammengefaltet und in dieselbe Tasche gelegt hatte. Wie jetzt. Als ich mir dann irgendwann eingestehen musste, dass es wirklich nichts mehr zu packen gab, kochte ich mir eine große Kanne Kaffee und setzte mich aufs Sofa, um für meinen letzte große Klassenarbeit vor den Ferien zu lernen. Ich war zuversichtlich, dass diese Aufgabe in Kombination mit dem Koffein mich bis zu Dads Rückkehr wach halten würde. Und was geschah? Ich wachte um sechs am nächsten Morgen auf,
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