Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
außerdem konstruktiv unterstützen.«
Der Mann nickte. Seine Frau, die angespannt ihre Handtasche umklammerte und einen erschöpften Eindruck machte, wirkte weniger überzeugt. Sie blickte, als ich vorbeiging, flüchtig zu mir herüber und mir war auf einmal so, als würde ich sie kennen; ich wusste allerdings nicht, wo ich sie einordnen sollte. Deshalb lief ich weiter, ohne zu grüßen, wandte mich nach links und warf einen erneuten Blick auf meinen Stundenplan.
Ich ließ meinen Blick gerade suchend über Zimmernummern auf Türen und Abzweigungen in endlosen Korridoren wandern, da entdeckte ich Riley. Sie saß auf einer Bank, hatte ihren Rucksack neben sich abgestellt, beugte sich leicht vor, ja, verrenkte sich schier den Hals, um einen Blick in die Eingangshalle zu erhaschen. Ich erkannte sie augenblicklich, wegen der zahlreichen Ringe an ihren Fingern und der bauschigen Daunenjacke, die sie sich um die Taille gebunden hatte. Mich wiederum bemerkte sie nicht, sogar als ich nun an ihr vorbeiging; dazu war sie zu sehr auf die drei Gestalten vor der Tür zum Verwaltungstrakt fixiert.
Meine Mathestunde fand angeblich in Raum 215 statt, aber alles, was ich fand, waren 214, 216 und eine Toilette,die nicht in Betrieb war. Irgendwann begriff ich, dass ich in den Parallelflur davor hätte einbiegen sollen, deshalb ging ich zurück. Doch gerade, als ich mich Riley wieder näherte, sprang sie auf, schnappte sich ihren Rucksack und eilte vor mir her Richtung Eingangshalle. Die drei von vorhin hatten sich zur Treppe bewegt. Der einzige Mensch außer uns beiden auf dem Flur war ein Typ mit kurzen Haaren, der ein weißes Hemd mit Knöpfen und Kragen sowie Khakihosen trug.
»Was haben sie gesagt?«, fragte Riley, während sie auf ihn zulief.
Er drehte sich kurz zu den dreien um, sah dann wieder ihr entgegen. »Sie haben sich darauf geeinigt, dass ich bleiben kann, solange ich alle angebotenen Kurse auf Universitätsniveau besuche. Plus ungefähr hundert andere Bedingungen und Einschränkungen.«
»Aber du darfst bleiben«, insistierte sie.
»Sieht so aus.«
Sie trat dicht an ihn heran und umarmte ihn. Er lächelte sie an, dann blickte er wieder zu der Gruppe an der Treppe. »Hast du nicht längst Unterricht?«, fragte er sie.
Riley winkte lässig ab. »Kein Problem. Ist sowieso bloß der Theaterkurs. Die kriegen es nicht mal richtig mit, wenn ich fehle.«
»Trotzdem solltest du nicht riskieren, dass es dir als Fehlstunde eingetragen wird«, antwortete er. »Das wäre es nicht wert.«
»Ich wollte bloß sichergehen, dass sie dich nicht von der Schule nehmen. Ich bin halb durchgedreht.«
»Alles im grünen Bereich«, sagte er. »Ganz ruhig bleiben.«
Ganz ruhig bleiben
. Erst als ich ihn das sagen hörte, begriff ich. Schlagartig. Ich betrachtete ihn genauer: kurze Haare, gepflegtes Äußeres. Typisches Highschool-Kid. War er abernicht. Sondern Dave Wade, Nachbar und Schutzkellerbewohner. Die Klamotten waren vielleicht anders, das Haar auf einmal kurz, aber das Gesicht kannte ich. Das Gesicht ist das Einzige, was man nicht wirklich verändern kann, egal, wie sehr man sich bemüht.
Riley trat einen Schritt zurück. »Okay. Aber wir treffen uns in der Mittagspause, versprochen?«
»David?« Seine Mutter stand inzwischen wieder bei der Tür zum Verwaltungstrakt und hielt sie auf. Im Hintergrund konnte ich seinen Vater und die Dame von der Schulverwaltung sehen, die einen schmalen Flur entlanggingen und schließlich aus meinem Blickfeld entschwanden. »Wir können jetzt hineingehen.«
Dave nickte ihr zu, wandte sich ein letztes Mal an Riley. »Die Pflicht ruft«, meinte er mit einem schiefen Lächeln. Und ging. Sie sah ihm kurz nach, wobei sie sich auf die Unterlippe biss, ehe sie sich umdrehte und die Stufen hinuntersprang. Im nächsten Moment fiel eine Tür zu und ich sah, wie sie den Weg entlangjoggte, der zum Nachbargebäude führte. Ihr Rucksack hüpfte auf ihrem Rücken auf und ab.
Ich schaute zum zigsten Mal an diesem Morgen auf meinen Stundenplan, atmete tief durch, betrat den Flur, den ich gesucht hatte. Lief an einer langen Reihe Türen vorbei, bis ich die mit der Nummer 215 fand. Man kann zwar nicht eben sagen, dass ich mich auf den Moment freute, in dem ich diese Tür öffnen und den gerade begonnenen Unterricht unterbrechen würde; geschweige denn auf die Tatsache, dass ich mir unter den neugierigen Blicken der anderen einen Platz würde suchen müssen. Aber es war immer noch besser als diverse andere
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