Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
bloß leichter als anderen, eine neue Identität anzunehmen. Ich kannte Deb kaum. Dennoch konnte ich mir jetzt schon fast nicht mehr vorstellen, dass sie je eine andere Deb sein könnte als die, die sie war.
Kaum hatten wir das Gebäude betreten, schlug uns jene unverwechselbare Mischung aus Desinfektionsmitteln und Anspannung entgegen, die für Krankenhäuser typisch ist. Ich nannte dem untersetzten Mann an der Anmeldung den Namen meines Vaters, er tippte ein paarmal auf der Tastatur seines Computers herum und gab mir schließlich einen Zettel, auf dem A1196 stand. Angesichts der vier Zahlen musste ich an heute Morgen denken, als ich meinen Spind gesucht hatte und meine größte Sorge gewesen war, wie ich das Telefonat mit meiner Mutter beenden und sie überhaupt nachhaltig abwimmeln konnte. »Ich glaube, wir müssen hier entlang«, sagte Deb in einem Ton, der wesentlich ruhiger klang, als ich mich fühlte. Sie ging mit mir über einen breiten Flur, bog zielsicher nach rechts ab. Irgendwie schien sie genau zu wissen, wann sie einspringen und die Führung übernehmen musste – als wäre meine Angst so deutlich greifbar wie eine Berührung, ein Geruch …
Zimmer gab es nicht, nur Kabinen mit Vorhängen, von denen einige offen, andere zugezogen waren. Ich versuchte, im Vorbeilaufen nicht allzu genau hinzuschauen, erhaschte jedoch trotzdem immer mal wieder einen unfreiwilligenBlick: auf einen Mann, der im Unterhemd auf einer Liege lag und die Augen mit einer Hand bedeckte; auf eine Frau im Krankenhaushemd, die mit weit geöffnetem Mund schlief.
»A1194«, sagte Deb. »A1195 … hier! Da sind wir.«
Der Vorhang war zugezogen. Wir standen einen Moment lang etwas unschlüssig davor und ich fragte mich: Sollte man anklopfen? Und wenn ja, wie? Und woher wusste man überhaupt, dass man die richtige Nummer gefunden hatte? Doch da hörte ich etwas.
»Jetzt mal im Ernst, Sie sollten sich endlich von Ihren Rosmarinbrötchen verabschieden. Die Würfel sind gefallen, und zwar dagegen.«
Lautes Seufzen. »Okay, ich kriege ja auch mit, dass die frittierten Essiggurken gut ankommen, aber das heißt noch lange nicht …«
Behutsam schob ich den Vorhang zur Seite. Da waren sie: Dad hockte auf dem Bett, Hand mitsamt Handgelenk waren dick verbunden. Opal saß auf einem Stuhl daneben; sie hatte die Beine übereinandergeschlagen und wirkte ziemlich gereizt.
»Da ist sie ja«, rief mein Vater aus. Er lächelte mich an, was so mit das Beruhigendste war, das ich … ja, definitiv überhaupt je erlebt hatte. »Wie geht’s, wie steht’s?«
»Jetzt lass mal mich aus dem Spiel«, erwiderte ich und trat auf ihn zu. »Wie geht es
dir
?«
»Hervorragend«, meinte er locker und klopfte neben sich aufs Bett. Ich setzte mich, und als er mir den Arm mit der unverletzten Hand um die Schulter legte, merkte ich, dass ich plötzlich einen dicken Kloß im Hals bekam. Was absurd war, denn es ging ihm ja tatsächlich gut. Eindeutig. »Ist bloß eine Fleischwunde.«
Ich lächelte etwas wackelig, blickte unwillkürlich zu Opal, die mich mit einem so aufrichtig herzlichen, warmen Gesichtsausdruck beobachtete, dass ich schnell wieder wegschauen musste. »Das ist Deb.« Ich nickte ihr zu; sie stand, Handtaschenriemen straff über der Schulter, in dem halb geöffneten Vorhang. »Sie hat mich … sie ist eine Freundin von mir.«
Als Deb das hörte, strahlte sie übers ganze Gesicht. Trat vor, streckte die Hand aus. »Hallo«, sagte sie zu meinem Vater. »Nett, Sie kennenzulernen. Tut mir leid, das mit Ihrem Unfall. Mclean hat sich solche Sorgen gemacht.«
Dad warf mir einen verwunderten Blick zu. Ich merkte, dass ich rot wurde.
»Wahrscheinlich, weil
ich
angerufen habe«, meinte Opal. »Ich bin nicht gerade berühmt für meine Gelassenheit bei Notfällen.«
»Das war kein Notfall.« Dad drückte mich an sich und ich meinerseits lehnte mich nur zu gern an ihn, atmete den vertrauten Geruch ein – Rasierwasser, Waschpulver, eine Andeutung von Grillrauch. »Wäre es nach mir gegangen, hätte ich schnell einen Verband darumgeschlungen und weitergearbeitet.«
»Meine Güte, nein!«, meinte Deb entsetzt. »Wenn man sich schneidet, braucht man unbedingt ärztliche Versorgung. Ich meine, denken Sie allein an die Möglichkeit einer Staphylokokken-Infektion.«
»Sehen Sie?« Opal fühlte sich offenkundig bestätigt, nickte Deb triumphierend zu. »Staphylokokken-Infektion!«
»Klopf, klopf«, ertönte es von draußen vor dem Vorhang. Im
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