Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
nächsten Moment kam eine rothaarige Krankenschwester mit üppigen Kurven und lauter roten Herzchen auf ihrem Kittel herein. Sie blickte erst meinen Vater an, dannauf ein Klemmbrett in ihrer Hand. »Nun, Mr Sweet, ich brauche bloß noch Ihre Versichertenkarte, muss ein paar Formulare ausfüllen … dann sind Sie uns los.«
»Je schneller, desto besser«, meinte Dad und nahm das Klemmbrett entgegen, das sie ihm hinhielt.
»Bitte sagen Sie so etwas nicht. Sie brechen mir das Herz«, antwortete die Krankenschwester entschieden zu laut und schenkte ihm dabei ein liebholdreizendes Lächeln. Opal nahm das verwundert und leicht spöttisch zur Kenntnis.
Egal, woran es lag, ob an seinen attraktiv wirren, halblangen Haaren oder den blauen Augen oder der Art, wie er sich kleidete und verhielt – man hatte auf jeden Fall das Gefühl, wo auch immer Dad auftauchte, zog er Frauen an wie Magneten. Und je weniger er darauf reagierte, umso stärker schienen sie von ihm fasziniert zu sein.
Ich gab der Krankenschwester Dads Versichertenkarte und hielt das Klemmbrett für ihn fest, während er mit der unverletzten Hand die Kappe von einem Filzstift zog und die Unterlagen überflog. Während er schließlich an den bezeichneten Stellen unterschrieb, blickte ich die Krankenschwester an, die ihrerseits mich anstrahlte. »Wirklich rührend, wie du dich um deinen Papa kümmerst. Ist deine Mutter gerade verreist?«
Dass er keinen Ring trug, hatte sie eindeutig längst registriert; die scheinbar beiläufige Frage diente also bloß dazu, sich endgültig zu vergewissern. Dieser Trick – der Umweg über mich – war mir schon mehrfach untergekommen, bei Kellnerinnen, Rezeptionistinnen in Hotels und einmal sogar von einer meiner Lehrerinnen.
»Entschuldigung«, meinte Opal, während ich noch nach einer Antwort suchte. »Aber wir müssen sicherstellen, dass die Rechnung direkt an unsere Firma geschickt wird. KönnenSie mir dabei behilflich sein oder spreche ich besser mit wem anders?«
Die Krankenschwester schaute sie an, als bemerkte sie Opal in diesem Augenblick zum ersten Mal, obwohl jene in ihren verwaschenen Jeans, roten Cowboystiefeln und einem leuchtend orangefarbenen Pullover kaum zu übersehen war. »Ich erkläre Ihnen gern den Weg zum Büro der zuständigen Abteilung«, erwiderte sie kühl.
»Vielen Dank«, antwortete Opal nicht minder höflich.
Deb, die direkt vor dem Vorhang stand, beäugte erst Opal, dann die Krankenschwester, dann erneut Opal. Mein Vater bekam wie üblich nichts mit, sondern drückte der Krankenschwester nonchalant das Klemmbrett wieder in die Hand und hüpfte von seiner Liege. »Auf geht’s«, verkündete er. »Nichts wie raus hier.«
Die Krankenschwester protestierte: »Mr Sweet! Da fehlen noch einige Formulare. Um diese auszufüllen, müssten Sie bitte –«
»Ich muss nur eins!« Dad schnitt ihr einfach das Wort ab und schnappte sich seinen Mantel, der quer über dem Kissen lag. »Zurück in meine Küche, ehe alles zusammenbricht. Wie meine Mitarbeiterin bereits sagte, schicken Sie die Rechnung bitte an
EAT INC
.« Er wandte sich an Opal: »Haben Sie zufällig eine Visitenkarte dabei?«
Opal nickte und holte eine aus ihrer Handtasche, die neben ihrem Stuhl stand. »Klar.«
»Wunderbar. Dann geben Sie die bitte der freundlichen Dame hier und lassen Sie uns endlich fahren.« Opal reichte der Krankenschwester die Karte. Die wirkte alles andere als erfreut, nahm sie jedoch notgedrungen entgegen. Mein Vater schlüpfte lässig in seinen Mantel und sah mich an.
»Du musst zurück zur Schule, nicht wahr?«
Ich warf einen Blick auf meine Uhr. »Bis ich da bin, klingelt es praktisch zum Ende der letzten Stunde.«
Er seufzte. Ganz offensichtlich war ihm das gar nicht recht. »Na gut, dann bringen wir dich auf dem Weg zum Restaurant eben bei uns zu Hause vorbei.«
»Ich kann sie auch heimfahren«, bot Deb an. Mein Vater sah zu ihr hinüber. Deb lächelte ihn an, als bräuchte sie hierfür tatsächlich seine Erlaubnis. »Ich meine, ist wirklich überhaupt kein Problem.«
»Großartig. Und jetzt Abmarsch!« Er schob den Vorhang beiseite, stürmte hinaus und war schon halb den Flur runter, ehe irgendeine von uns sich überhaupt in Bewegung gesetzt hatte.
Die drei anderen sahen mich an. Ich zuckte die Achseln. Auftritt meines Vaters als Diktator, die Seite an ihm, die immer dann zum Vorschein kam, wenn wir umzogen oder im Restaurant Hochbetrieb herrschte. Er hatte nicht grundsätzlich so einen
Weitere Kostenlose Bücher